Landshapes – „Rambutan“

Künstler Landshapes

Landshapes Rambutan Review Kritik
Psychedelisch ist bei Landshapes aus London nicht nur das Plattencover.
Album Rambutan
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Es waren nur drei Buchstaben, aber sie haben eine ziemlich große Bedeutung. Als Luisa Gerstein, Heloise Tunstall-Behrens, Dan Blackett und Jemma Freeman im Jahr 2012 bei einer Show in Paris spielen sollten, war der Name ihrer Band auf dem Plakat versehentlich falsch geschrieben. 2009 hatten sie sich als Lulu And The Lampshades gegründet, nun wurden sie plötzlich als Lulu And The Landshapes angekündigt. Das Quartett aus London fand den Druckfehler gar nicht schlimm. Im Gegenteil: Sie erkannten, dass sie ohnehin viel lieber nach Landschaften (also: Weite, Vielfalt, Abenteuer) klingen wollten als nach Lampenschirmen (also Beschaulichkeit). So behielten sie die Bezeichnung einfach bei. Eine Lulu gab es ohnehin nie in der Band, deshalb erschien das im Jahr veröffentlichte Debütalbum Rambutan dann als Landshapes.

Die Folk-Wurzeln der Band lässt der verträumte Auftakt Racehorse noch erahnen, noch etwas deutlicher kommt die Historie von Landshapes in Impasse zum Ausdruck: Dort gibt es nicht nur den schmerzvollen Satz „Thought you could love me by now“, in dem allerdings kein Vorwurf steckt, sondern nur Stolz und Enttäuschung. Es erklingen auch sehr ungewöhnliche Percussions – fast alles scheint hergehalten zu haben, um diesen Walzertakt hinzubekommen. Mit einem ganz ähnlichen Ansatz (nämlich einem Beat, der mittels Klatschen, Tischplatte und Plastikbechern erzeugt wird) hatte die Band, noch unter dem alten Namen, einen Youtube-Hit gelandet. Auf die Vorgeschichte zu Rambutan verweist auch Demons, das bereits auf der 2011er EP Cold Water enthalten war. Die Erzählerin will sich beherrschen und zusammenreißen, singt sie, aber Streicher, Bläser und nicht zuletzt eine fast geisterhafte zweite Stimme versuchen, sie auf Abwege zu führen. “These demons that you gave to me / make the best and worst of me”, lautet das Eingeständnis, „When all of this is over / I’ll fly away“, lautet der Versuch einer Lösung in den letzten Zeilen.

Rambutan macht aber zugleich die Entwicklung in Richtung einer sehr originellen, eingängigen und nicht selten psychedelischen Interpretation von Rock deutlich, die dann später auf Heyoon fortgesetzt werden sollte. In Limbo hat viel Tempo, Kraft und Dramatik und propagiert damit sehr stilvoll das Recht auf Zeitverschwendung. Night So Strong entwickelt sich vom Unbestimmten hinein in eine sehr konkrete Bedrohlichkeit. Großen Anteil am erstaunlichen Groove von LJ Jones hat der (auch bei anderen Tracks) sehr kreative Bass. Die Single Insomniacs Club wird vor allem im Refrain sehr tanzbar und energisch, der Rest ist vollgestopft mit Fantasie.

Dieser Ideenreichtum ist die ultimative Stärke von Landshapes. Er bezieht sich auf die Instrumentierung und Komposition, zum sehr außergewöhnlichen Charakter der Platte trägt zugleich die Tatsache bei, dass alle vier Bandmitglieder sich beim Gesang abwechseln. Das ergibt, wie es The Line Of Best Fit treffend genannt hat, „a crisply bittersweet citrus wash of vocals.“ Das vergleichsweise reduzierte Threads ist ein gutes Beispiel dafür: Zur rätselhaften Atmosphäre trägt neben den schweren Drums auch die Stimme von Dan Blackett bei, die sich etwa zur Hälfte zum Harmoniegesang seiner Mitstreiterinnen gesellt. Einen ähnlichen Ansatz zeigt Blu Tac, das ebenfalls vergleichsweise minimalistisch ausfällt – gerade dadurch hat jedes Instrument, jede Stimme einen fast bestürzenden Effekt. Detour Ahead zeigt vielleicht am besten, was die Lieder von Landshapes ausmacht: Sie können exaltiert werden, sind aber in erster Linie ungewöhnlich und intensiv.

Mysteriös und bunt wie das Album ist auch das Video zu In Limbo.

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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