Die Lage vor Ort ist „eindeutig nicht ruhig und nicht stabil“, sagt Markus Kneip. Kein Wunder: Wenn die Lage ruhig und stabil wäre, müssten er und seine 1700 deutschen Soldaten nicht in Afghanistan präsent sein. Das weiß auch der Brigadegeneral. Seine Aussage macht aber deutlich: Die Situation, in der die Bundeswehr heute das Kommando der Internationalen Schutztruppe übernimmt, ist wahrlich nicht einfach.
Nicht nur, dass die Gewalt am Hindukusch nicht nachgelassen hat. Die Lage verschlimmert sich sogar. Im Norden nehmen Terroristen inzwischen auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen ins Visier, in Kabul gibt es ständig Anschläge, im Süden toben schwere Gefechte mit hunderten Toten. Allen muss klar sein: Die Bundeswehr übernimmt einen lebensgefährlichen Job.
Dass hierzulande ob der andauernden Unruhen und der Sorge um die deutschen Soldaten über einen Rückzug aus Afghanistan nachgedacht wird, überrascht deshalb nicht. Doch ein Ende der Mission wäre ein fatales Zeichen. Wenn sich die Internationale Schutztruppe jetzt zurückzöge und das Feld wieder den radikalen Islamisten überließe, dann hätte man sich den Krieg gegen die Taliban – der bisher auch 18 deutsche Soldaten das Leben gekostet hat – gleich sparen können. Die Antwort der Staatengemeinschaft kann nur sein, weiterhin Geschlossenheit zu demonstrieren – und aus den Fehlern zu lernen.
Denn auch dies ist ein Argument für ein Bleiben am Hindukusch: Einen Teil der Unruhen hat der Westen zu verantworten. Nach dem erfolgreichen Luftkrieg haben vor allem die USA den Blick viel zu schnell abgewandt – nach dem Irak. In Afghanistan nutzten die Rebellen diese Unaufmerksamkeit, um sich neu zu formieren. Außerdem profitieren sie davon, dass viele Afghanen von den Befreiern enttäuscht sind: Sicherheit können sie nicht garantieren, und auch vom versprochenen wirtschaftlichen Aufschwung kommt bei der Bevölkerung nicht viel an.
Will der Westen nicht riskieren, dass Afghanistan wieder zu einer Hochburg von Extremisten wird, deren florierendstes Gewerbe die Drogenproduktion ist, dann ist ein langer Atem gefragt. Vielleicht sollte man sich daran erinnern, unter welchem Banner – und mit welchem Ziel – man den Militäreinsatz einst begonnen hatte: „Enduring Freedom“ hieß damals die Operation. Diese Ausdauer gilt es jetzt zu beweisen.