Vielleicht ist es die Sache mit Budapest. Aus irgendeinem Grund werde ich nicht richtig warm mit L’Aupaire an diesem Abend im Täubchenthal. Und es könnte an der Geschichte liegen, die Robert Laupert, der Mann hinter diesem Moniker, den Fans in Leipzig ziemlich am Anfang des Konzerts erzählt: Er sei vor ein paar Jahren mit seinem Leben in einer Sackgasse gelandet und habe sich dann entschieden, in Budapest einen Neuanfang zu versuchen.
Ich habe leider ein zwiespältiges Verhältnis zur ungarischen Hauptstadt. Erstens war das die Stadt, in die George Ezra geschickt wurde (von seinem Management!), weil er nicht wusste, worüber er auf seinem Debütalbum (!) singen sollte – und was daraus geworden ist, quält uns ja heute noch manchmal im Radio. Zweitens wurde ich in Budapest einmal fast verhaftet, weil ich einen Schnaps mit zwei angeblichen Fechterinnen getrunken habe. Drittens lernte ich auf genau jener Reise auch ein paar deutsche Medizin-Studenten kennen. Die hatten zu schlechte Noten, um in Deutschland zum Studium zugelassen zu werden, oder waren durch das Physikum gefallen – und nun kauften sie sich mit Papas Kohle an der Uni in Budapest ein, machten dort irgendwie ihren Abschluss und ließen es sich nebenher noch preisgünstig mit Osteuropäerinnen gut gehen.
Das fand ich natürlich empörend, und ein wenig von diesen Typen ist auch in Robert Laupert zu erkennen: Er schwört die Fans in Leipzig gegen Ende des Konzerts zwar darauf ein, man müsse „immer wieder aufstehen, egal wie sehr das Leben einem in die Fresse tritt“ – aber dass er wirklich mal nicht vom Glück verfolgt war, mag man kaum glauben. Erst recht nicht, wenn er auf der Bühne steht, mit der Frisur von Luke Kook, der Stimme von Caleb Followill und ziemlich viel medialem Rückenwind für das vor vier Wochen erschienene Debütalbum Flowers.
Dass ich der im sehr gut gefüllten Täubchenthal durchaus spürbaren Begeisterung für L’Aupaire nicht sofort anheimfalle, könnte freilich auch an Marc O’Reilly liegen. Er hatte das Vorprogramm bestritten und dabei tatsächlich schon nach dem ersten Lied ein „Whoohooo“ aus dem Publikum geerntet. Der Folk-Blues des Iren hat live, ergänzt um einen Drummer und einen Bassisten, noch etwas mehr Kraft als auf Platte, wie beispielsweise die aktuelle Single Bleed zeigt, die er sich fürs Ende seines Sets aufhebt. Er sieht, wenn er sich gehen lässt, ein wenig aus wie Joe Cocker und sein Sound wirkt, wenn man dazu die Augen schließt, wie die perfekte Untermalung für einen Jack-Daniel’s-Werbung. Nicht zuletzt hat er wunderbare Ansagen zu bieten, etwa über die Tücken eines holländischen Kennzeichens bei Begegnungen mit der deutschen Autobahnpolizei oder die durchaus zutreffende Ankündigung von The Scottish Widow als „another depressing song“.
Bei L’Aupaire hingegen sind Ansagen keine Stärke. Neben dem schon erwähnten Budapest-Bekenntnis und der Lebenshilfe nach Niederschlägen witzelt Robert Laupert beispielsweise noch über den Bart eines seiner Bandkollegen und Furzen im Tourbus oder wundert sich öffentlich darüber, dass sein Song The River im Fernsehen unter anderem schon bei Frauentausch, Germany’s Next Topmodel und dem Dschungelcamp zu hören war, ohne freilich zu erwähnen, dass solche eine Verwendung von Liedern für TV-Einsätze in der Regel nicht ohne Einwilligung des Künstlers oder wenigstens seiner Plattenfirma geschieht.
Er ist bei weitem kein Unsympath, er kann auch wenig dafür, dass er als L’Aupaire vieles von dem zusammenfügt, wonach sich Plattenfirmen seit einer Weile die Finger lecken. Eine gute Dosis Jake Bugg ist da zu erkennen, auch Spurenelemente von Boy oder Coldplay. Vielleicht kann man bei einem Künstler, der gerade sein erstes Album veröffentlich hat, auch noch verstehen, dass er die Rolle des Frontmanns noch für sich definieren muss – in Leipzig wirken jedenfalls ein paar Momente zu viel geschauspielert und antrainiert. Dass ausgerechnet der Hit Rollercoaster Girl an diesem Abend nicht zündet, ist ebenfalls nicht gerade hilfreich. Auch die Ecken und Kanten, die es bei Marc O’Reilly noch gegeben hatte, gehen L’Aupaire völlig ab – außer man zählt darunter, dass Laupert bei der Coverversion von Toploaders (eigentlich ja: King Harvests) Dancing In The Moonlight den Text von seinem Smartphone ablesen muss.
Das Lied spielt er übrigens auf besonderen Wunsch eines Bandkollegen, und das Miteinander der fünf Leute auf der Bühne ist eine der großen Stärken von L’Aupaire. Vor allem Peppa tut sich immer wieder hervor, in einigen Momenten wünschte man sich, sie würde in der Mitte der Bühne und im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, so offensichtlich übergroß ist ihr Talent. Sie hat auch großen Anteil an dem Song, mit dem L’Aupaire dann doch noch die Kurve und mich auch auf die Seite der Zufriedenen an diesem Abend in Leipzig bekommt: I Would Do It All Again spielt die Band zu dritt, nur mit Gitarre, Gesang und viel „Lalalala“-Unterstützung aus dem Publikum.
Auch Flowers, das sie als letzten Song vor der Zugabe mit noch etwas mehr Reggae-Betonung spielen, wird ein Highlight. Das ist ebenfalls ein Moment, wie er wunderbar in einen Festivalnachmittag passen würde. Das ist vielleicht das Ambiente, in dem L’Aupaire am besten funktioniert – auch, weil ihm das leicht Improvisierte viel besser steht als eine manchmal aufgesetzte Frontmann-Routine.