Nur Gewinner scheint es nach dem Durchbruch bei der Bahn zu geben. Wer über Weihnachten mit dem Zug verreisen will, kann nun in aller Ruhe planen. Auch die Wirtschaft, die auf den Güterverkehr auf der Schiene angewiesen ist, muss das Schreckgespenst von unbefristeten Streiks vorerst nicht mehr fürchten. Bahn-Chef Mehdorn freut sich, dass der Einstieg geschafft ist, GDL-Boss Schell sieht ein solides Fundament für die weiteren Verhandlungen.
Schaut man auf die Details der Vereinbarung zwischen Gewerkschaft und Unternehmen, wundert man sich jedoch über so viel Freude. Mehdorn hatte einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer stets abgelehnt, weil er einen „Dammbruch“ befürchtete, wenn eine einzelne Berufsgruppe selbst über ihre Arbeitsbedingungen und Entlohnung verhandeln könnte. Nun bekommt er gleich sechs eigenständige Tarifverträge für die verschiedenen Tätigkeitsfelder bei der Bahn – und verkauft das auch noch als Erfolg. Und bei Schell, der die Forderung nach 31 Prozent mehr Geld monatelang wie eine Monstranz vor sich her getragen hatte, ist davon plötzlich keine Rede mehr.
Die Einkommensverbesserungen für seine Klientel sind auf einmal ein unbedeutendes Detail, für das man in den weiteren Gesprächen schon eine Lösung finden wird. Hätte Schell diese Zuversicht von Anfang an gehabt, hätte er der Bahn und ihren Kunden eine Menge Ärger ersparen können. Der Verdacht drängt sich auf, dass auch er den Kompromiss schönreden will – und vor der Basis verschleiern muss, dass auch die Gewerkschaft Zugeständnisse gemacht hat.
Der Schlüssel zur Einigung lag offensichtlich bei Transnet und der GDBA. Die beiden größeren Bahn-Gewerkschaften haben im Gegensatz zur GDL nicht krakeelt, aber clever verhandelt. Auch sie werden jetzt profitieren, denn für fünf der sechs Berufsgruppen sitzen sie künftig am Verhandlungstisch. Ein stattliches Einkommensplus für ihre Mitglieder hatten sie ohnehin schon im Juli herausgeschlagen. 250 Millionen Euro wird allein dieser Tarifabschluss das Unternehmen kosten. Die Belastung durch höhere Einkommen für die Lokführer kommt noch dazu.
Die Verlierer der Einigung könnten deshalb am Ende die Kunden sein. Sie müssen für das Plus bei den Bahn-Beschäftigten bezahlen. Der Aufschlag von 2,9 Prozent auf die Ticketpreise zum Fahrplanwechsel am Sonntag wird wohl nur ein Vorgeschmack sein.