Es gibt kaum einen besseren Ort, um den neuen Alfa Spider kennen zu lernen als Neapel. Nicht nur, dass das Wetter dort bereits im Februar ein offenes Verdeck zulässt, das die Fahrt vorbei an Zitronengärten und Straßencafés erst zum echten Genuss macht. Nicht nur, dass die nahe gelegene Amalfiküste einige der schönsten Meerblick-Strecken Europas bietet, wo sportliches Fahren ebenso viel Spaß macht wie gemütliches Cruisen. Nicht nur, dass sich die eine oder andere Signorina von so viel italienischer Eleganz zu einem entzückten Blick hinreißen lässt und mancher ältere Herr dem Cabrio ein beherztes „bella macchina“ hinterher ruft.
Vor allem ist es der Vesuv, der Neapel zum perfekten Ort für den Spider macht. Der Vulkan, der vor fast 2000 Jahren Pompeji unter seiner Asche begrub, lauert noch heute bedrohlich über der Stadt, als Sinnbild für die Vergänglichkeit des Seins. Und als Mahnung, das Leben zu genießen. Jeden Moment davon. Ohne Kompromisse.
Diese Erkenntnis hat Dustin Hoffman als Ben Braddock einst in der oscar-prämierten Reifeprüfung dazu gebracht, sich in einem Alfa Spider auf die Fahrt seines Lebens zu seiner Angebeteten zu machen. Und auch heute verkörpert kaum ein anderes Auto eine derart intensive Lebensfreude. Dieser Wagen ist eine Legende.
Dennoch scheut sich Alfa Romeo nicht, mit seiner eigenen Historie zu brechen. Der traditionelle Heckantrieb, der den legendären Duetto ausmachte, ist schon längst passé. Der aktuelle Spider basiert technisch auf dem Brera. Das Topmodell mit 3,2-Liter-Motor und 260 PS kommt mit permanentem Allradantrieb daher, der Einstiegsbenziner (2,2 Liter/200 PS) ist frontgetrieben. Zudem wird es ab März zum ersten Mal überhaupt einen Diesel-Spider geben. Der Fünfzylinder-Selbstzünder soll ebenfalls 200 PS Leistung bringen.
Auch sonst hat sich einiges getan: Sechsgang-Schaltung, CD-Wechsler, ESP oder innenbelüftete Scheibenbremsen sind nun serienmäßig. Das neue Design von Gugiario und Pininfarina ist atemberaubend und wird im Innenraum durch klassische Rundinstrumente und stilvolle Materialien fortgesetzt. Der Kofferraum ist um mehr als 100 Liter gewachsen und fasst nun 253 Liter, das Stoffdach ist komplett neu entwickelt (bereitete allerdings einige Probleme, so dass der Wagen, der schon beim vergangenen Genfer Salon als „Cabrio des Jahres 2006“ ausgezeichnet worden war, erst jetzt auf den Markt kommt). Auch bei der Karosseriesteifigkeit hat Alfa Romeo keine Kompromisse bei der Qualität gemacht, so dass nun keine unerwünschten Nebengeräusche mehr das famose Röhren des V6 stören.
Dessen 260 PS spürt man allerdings nicht sofort, erst im höheren Drehzahlbereich hat der Wagen richtig Durchzug. Neben dem Allradantrieb macht sich hier das stattliche Leergewicht von fast 1700 Kilogramm bemerkbar, das zum Teil dem Fußgängerschutz geschuldet ist. Der Fahrspaß leidet darunter freilich nicht, wozu eine gelungene Abstimmung, die präzise Lenkung und das tolle Schaltgefühl beitragen.
Erstaunlich agil zeigt sich auch der kleine Benziner, für den Alfa Romeo die meisten Kunden erwartet. Der Diesel könnte ebenfalls ein Überraschungserfolg werden: Werner H. Frey, Deutschland-Chef der Alfa-Mutter Fiat, hält hier zu Lande einen Anteil von bis zu 20 Prozent für möglich.
Kleine Macken hat der Zweisitzer freilich auch: Die A-Säule ist (wie auch beim Brera und 159) sehr mächtig, was den Einblick in Kurven erschwert. Das Schließen der Lüftung erzeugt einen nervigen Pfeifton, zudem fehlen Cupholder.
Abzug gibt es auch für den Sprit-Durst. Der aktuelle Spider verbraucht mit dem Einstiegsmotor rund 10 Liter pro 100 Kilometer, das ist noch praktisch genauso viel wie der Duetto vor 40 Jahren schluckte. Doch der neue Spider leistet fast 100 PS mehr. Wenn nur der Moment zählt, ist auch das ein Fortschritt.
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