Led Zeppelin – „The Song Remains The Same“

Künstler Led Zeppelin

Led Zeppelin The Song Remains The Same Review Kritik
Drei Shows aus New York sind in „The Song Remains The Same“ dokumentiert.
DVD The Song Remains The Same. In Concert And Beyond
Label Warner
Erscheinungsjahr 1976
Bewertung

Schon lange spielten Led Zeppelin mit dem Gedanken, einen Konzertfilm zu machen. Er sollte all ihren Fans die Gelegenheit geben, eine Show der Band zu erleben, auch wenn sie keine Tickets bekommen haben oder Robert Plant, Jimmy Page, John Bonham und John Paul Jones gerade einmal nicht auf Tour waren. Ende Juli 1973 (man kann also sagen: auf dem Höhepunkt ihres Ruhms) setzte die Band die Idee dann in New York in die Tat um: Recht spontan wurde der amerikanische Filmemacher Joe Massot beauftragt, die drei aufeinander folgenden Konzerte im Madison Square Garden zu filmen. Daraus entstand nach einigem Hin und Her The Song Remains The Same. Der Konzertmitschnitt kam 1976 in die Kinos und erschien zugleich als Livealbum. Die Doppel-LP enthielt damals nur neun Tracks, Neuauflagen wurden 2007 und 2018 veröffentlicht. Auch der Film erlebte ein paar Re-Issues: 1999 erschien er erstmals auf DVD, 2007 und 2018 dann noch einmal als Remaster, dabei waren jeweils 15 Tracks enthalten.

Die Bandmitglieder selbst haben sich mehrfach eher enttäuscht über das ursprüngliche Ergebnis geäußert, bei Fans erfreute sich The Song Remains The Same allerdings sowohl an der Kinokasse als auch danach großer Beliebtheit. 1975 beschlossen Led Zeppelin, vorerst nicht mehr auf Tour zu gehen, 1980 trennte sich die Band – bis weit in die 2000er Jahre hinein war dieser Mitschnitt dann die einzige offizielle Möglichkeit, eine der größten Rockbands aller Zeiten im Live-Modus zu erleben.

Das Besondere am Film ist, dass neben den Bildern vom Konzert (einige Einstellungen wurden später im Studio nachgestellt) auch weitere Aufnahmen zu sehen sind. Es gibt zwischendurch Stadtszenen aus der U-Bahn oder von den Wolkenkratzern in New York, die klar werden lassen, wie groß die Faszination ist, die diese Metropole auf die Band ausübt. Zudem gibt es Backstage-Episoden (viele davon stammen nicht von den Shows in New York, sondern aus Baltimore), in denen etwa Ärger um Merchandising-Verkauf oder ausgeflippte Fans zu sehen sind, die von der Polizei in Gewahrsam genommen werden, außerdem die Anekdote um die Gage der Band, die in einem Schließfach deponiert war und geklaut wurde.

Nicht zuletzt bietet der Film einige fiktionale Sequenzen, die zwischen die Konzertaufnahmen geschnitten und von der Live-Musik unterlegt werden. Die Musiker schlüpfen in Kostüme und Fantasierollen, sie verüben einen brutalen Überfall als Gangster in den 1920er Jahren, sind als Musketiere zu sehen, die für bedrängte Hofdamen kämpfen, als Seefahrer und Entdecker im Einsatz, als Ritter der Tafelrunde, die ein holdes Burgfräulein retten und einen Druiden im Wald treffen, auch als Farmer, Handwerker und Familienväter, die von spielenden Hippie-Kindern umgeben sind. Manche dieser Sequenzen passen sehr gut zur Musik, weil die Lieder eine cineastische Qualität haben, anderes entwickelt eine unfreiwillige Komik. Man kann sich fragen, warum Led Zeppelin überhaupt solche Elemente in The Song Remains The Same. In Concert And Beyond integriert haben. Die Antwort ist nicht leicht zu finden, man kann aber zumindest ein paar Anhaltspunkte dafür finden.

Antwort 1: Der Mitschnitt hat eine Spielzeit von 132 Minuten, und es ist schlicht langweilig, über so lange Zeit bloß vier Typen auf einer Bühne zuzuschauen, selbst wenn das vier so begnadete Typen wie Led Zeppelin sind. Angeblich schlief Amhet Ertegün, der Boss ihrer Plattenfirma Atlantic Records, auf seinem Sessel ein, als er den Film vorab zu sehen bekam. Auch im Publikum im Madison Square Garden (um eine optische Vorstellung zu vermitteln: viele Bärte und sonstige Haare, viele Zigaretten, größtenteils bestuhlte Arena) ist die Stimmung während der Konzerte näher an einer Andacht als an Moshpit-Ekstase. Bei den ersten Gitarrentönen von Stairway To Heaven, das Robert Plant als „a song of hope“ ankündigt, gibt es zwar Szenenapplaus, sonst sind die Fans aber meist im passiven Staunen gefangen. Auch die aus heutiger Sicht erstaunlich kleine Bühne und die im Vergleich zum mittlerweile üblichen Bombast wenigen Showelemente (bei Dazed And Confused gibt es etwas Pyro, No Quarter wird in extrem viel Nebel eingehüllt, am Ende von Whole Lotta Love gibt es als als krönenden Abschluss der Show ein paar Schläge auf ein in Flammen stehendes Becken) legen die Idee nahe, mit anderen Elementen für etwas visuelle Abwechslung zu sorgen. Alleine Dazed And Confused ist hier 29 Minuten lang, später ist ein 8-minütiges Schlagzeugsolo zu sehen, und man darf sich schon fragen, wie sich die Menschen im Publikum über so lange Zeit amüsiert haben, weil sie eben nicht die Abwechslung dieser Filmszenen oder der surealistisch-psychedelischen Special Effects hatten, die The Song Remains The Same ebenfalls einsetzt.

Antwort 2: Die Ritter, Seefahrer und Gangster sind als spirituelle Vorväter der Band zu verstehen. So findet man nicht nur erstaunlich häufig das Motiv der tapferen Recken, die in Not geratene Frauen retten – eine Pose, in der sich Led Zeppelin eindeutig gefallen. Robert Plant spricht an einer Stelle des Films auch von „kosmischer Energie“, die er als Verbindung zu den Vorfahren sieht.

Antwort 3: Indem sie in andere Rollen schlüpfen, zeigen Robert Plant, Jimmy Page, John Bonham und John Paul Jones: Wir können auch ganz anders sein. Wir sind Rockgötter, aber auch Privatmenschen. Vielleicht sind wir Letzteres sogar lieber als Ersteres, wir würden gerne viel öfter die Idylle auf dem Land oder einer Spritztour im teuren Auto genießen. Vielleicht steckt in uns eine Sehnsucht, andere Facetten unserer Persönlichkeit ausleben zu können. Das würde auch zeigen: Diese Band ist keine verschworene Gang, sondern besteht aus vier Personen, die zusammen einzigartige Musik erschaffen und nur zu diesem Zweck zusammen kommen. Das würde unterstreichen, dass die Bandmitglieder selbst Led Zeppelin zu diesem Zeitpunkt bereits sehr bewusst als Kunstprodukt und Business verstehen, wofür sich in diesem Film auch ein paar weitere Indizien finden.

Antwort 4: Led Zeppelin haben 1973 einen Konzertfilm mit Fantasy-Elementen gemacht, weil sie es konnten. Diese Interpretation von The Song Remains The Same erscheint am wahrscheinlichsten. Der Film zeigt wunderbar, wie riesig das Rockgeschäft zu dieser Zeit war. Die damit verbundene Maschinerie hat nicht nur viele Millionen Dollar umgesetzt, sondern eben auch den unvermeidlichen Größenwahn produziert. Ende November 1971 war das Album Led Zeppelin IV erschienen, bis heute wurden davon 37 Millionen Exemplare verkauft – das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Australien plus der von Simbabwe. Während der hier dokumentierten Houses Of The Holy-Tournee hatten Led Zeppelin mit der Show im Tampa Stadium in Florida den Besucherrekord der Beatles gebrochen (es kamen 56800 Fans, also mehr als 1965 zu den Fab Four ins Shea Stadium). Sie reisten mit dem Privatjet an, kletterten direkt von der Bühne in bereitstehende Limousinen und fuhren dann ins Hotel, wo oft eine ganze Etage für die Band und ihre Entourage reserviert war (angeblich nutzte John Bonham diesen Luxus gerne, um mit seinem Motorrad über den Hotelflur zu fahren). Es verwundert nicht, dass so viel Erfolg, Prestige und Bewunderung zu etwas Hybris führen kann, in der man sich zutraut, glaubhaft als Musketier auftreten oder das Format des Konzertfilms revolutionieren zu können.

The Song Remains The Same ist damit einerseits ein Dokument eines überdimensionierten Rock-Kults. Andererseits zeigt der Film, etwa mit Since I’ve Been Loving You, das ohne Umwege von Blues zu Sex wechselt, die sagenhafte Virtuosität, mit der Led Zeppelin diesen Status erlangt haben. Was den Film in seinem Kern ausmacht, ist letztlich das Element, das auch ihre Konzerte und ihr gesamtes Schaffen prägte: eine unerreichte Balance aus Freigeist und Disziplin.

Größe und Größenwahn: Die knapp 29 Minuten von Dazed And Confused.

https://www.youtube.com/watch?v=ZQgYn23Xvck

Website von Led Zeppelin.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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