Selten hat man den Müllermeister aus Franken so mutig erlebt. Gleich drei konkrete Prognosen wagte Wirtschaftsminister Michael Glos in einem einzigen Interview – und überbot sich dabei fast selbst an Zuversicht. Beim Wirtschaftswachstum wird Deutschland mehr als zwei Prozent erreichen, prophezeit er. Die Arbeitslosenzahl – eine Größe, bei der schon ganz andere Kaliber mit ihren Vorhersagen daneben lagen – wird schon sehr bald unter 3,5 Millionen liegen. Und die Einkommenssteuer soll so schnell wie möglich sinken.
Für die Bürger muss das erst einmal wie eine frohe Osterbotschaft klingen. Endlich soll der Aufschwung auch in ihrem Geldbeutel ankommen. Denn Fakt ist: Die klare Mehrheit der Deutschen merkt beim Blick auf den Lohnzettel nichts vom gesunden Wachstum. 70 Prozent glauben laut einer Umfrage nicht, dass sie von der wieder angesprungenen Konjunktur profitieren. Das wundert auch nicht, wenn die IG Metall schon wieder mit dem Säbel rasseln muss, um in der aktuellen Tarifrunde eine drei vor dem Komma durchzusetzen, und wenn gleichzeitig die Gehälter der Dax-Vorstände im zweistelligen Prozentbereich steigen. Was von der Politik der großen Koalition bisher beim Bürger angekommen ist, sind vor allem zusätzliche Belastungen wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Doch helle Freude – oder gar konkrete Erwartungen in Euro und Cent – sollte Glos‘ Versprechen nicht auslösen. Denn was der Wirtschaftsminister ankündigt, ist schlicht unseriös. Erstens legt er sich wohlweislich nicht auf einen Termin fest und kokettiert stattdessen vage mit einem Steuergeschenk nach der nächsten Bundestagswahl. Doch niemand weiß, wie sich die Konjunktur bis dahin entwickeln wird. Niemand weiß, ob es dann überhaupt noch etwas zu verschenken gibt. Und schließlich steht noch längst nicht fest, wer dann in die Rolle des großzügigen Spendieronkels schlüpfen darf.
Zweitens ist der CSU-Mann für Wirtschaft zuständig, nicht für Steuern. Und Finanzminister Peer Steinbrück wird sich nicht gern ins Handwerk pfuschen lassen. Er hat zudem keinen Zweifel daran gelassen, dass es trotz der momentan sprudelnden Einnahmen kein Abweichen vom Sparkurs geben wird.
Dass dies der richtige Weg ist, haben Unternehmen und Arbeitnehmer in Deutschland in den vergangenen Jahren vorgemacht. Mit Weitsicht bei der Planung, dem Aufbrechen überkommener Strukturen und Zurückhaltung bei den eigenen Ansprüchen haben sie den Standort D wieder konkurrenzfähig gemacht. Sie dürfen sich als die Macher des Aufschwungs fühlen. Sie haben es auch weiter in der Hand, für dessen Fortsetzung zu sorgen und ihren Anteil an dessen Früchten durchzusetzen. Daran sollte sich die Politik ein Beispiel nehmen – statt mit leeren Versprechungen auf Stimmenfang zu gehen.