So ist das eben, wenn man Freude (man weiß ja nie, wen die mitbringen) und Familie (kann man sich ja nicht aussuchen) zusammentrommelt: Es kann passieren, dass man am Ende einen ziemlich illustren Haufen versammelt hat. Wenn da Handwerker und Akademiker, Rentner und Kleinkinder, Biobauern und verkappte Nazis hereinspazieren, fragt man sich womöglich schon beim Händeschütteln an der Haustür, was all diese Leute eigentlich verbinden soll.
Auch beim Mini-Festival La Familia Y Amigos im Conne Island in Leipzig wurde das deutlich. Electro-Action, Düsterfolk, Lo-Fi-Rock und Bluegrass-Punk trafen da aufeinander. Trotzdem gab es ein verbindendes Element: Der Abend bot die perfekte Gelegenheit, zu beobachten, wie ein einzelnes Bandmitglied alles ruinieren kann.
Les Trucs sind davon ausdrücklich ausgenommen. Das Duo aus (grob gesagt) Rhein-Main, von dem ich leider nur noch die beiden letzten Stücke mitbekam, bot eine ziemlich spektakuläre Electro-Performance – nicht auf der Bühne, sondern mitten im Publikum. Weiterer Pluspunkt: Den alten Kinderzimmer-Poser-Trick, eine Stehlampe zu einem Mikrostativ umzufunktionieren, haben Les Trucs gleich in ihre Show eingearbeitet. Zudem tragen sie Taschenlampen-Helme, für die es Ghostbusters-Bonus gibt. Ein wilder Spaß.
Auch danach blieb es ein amüsanter Abend, aber leider getrübt durch jeweils eine Person auf der Bühne. Bei Dead Western war das der Bassist. Er zelebrierte jeden seiner Töne – und erschien dabei erst recht überflüssig, weil er praktisch kaum etwas spielte. Hätte Troy Mighty (die Personifizierung von Dead Western) sein Programm ganz alleine bestritten, wäre das musikalisch kaum weniger abwechslungs- oder facettenreich gewesen, dafür aber deutlich eindrucksvoller.
Denn selbst wenn düsterer Folk mit der tiefsten Stimme der Welt nicht jedermanns Sache sein dürfte: Eine Erscheinung ist Troy Mighty in jedem Fall. Der Mann aus Sacramento bemalt sein Gesicht im Dead Man-Look, er zappelt mit den Händen, als sei er eine Marionette, er singt meist auf Zehenspitzen (worüber man sich am meisten wundern muss, weil man eigentlich wetten möchte, dass dieser Typ Cowboystiefel trägt statt barfuß auf der Bühne zu stehen). Und er legt vor allem eine mimische Theatralik hin, die durchaus hilft, der Show von Dead Western so etwas wie eine Aura zu geben. Ein gutes Stück davon geht aber verloren, weil er sich entschieden hat, die Bühne mit einem Bassisten zu teilen. Das Ergebnis: Troy Mighty findet sein Publikum an diesem Abend wahrscheinlich genauso seltsam wie die Gäste im Conne Island in Leipzig den Act auf der Bühne finden.
Noch etwas schräger wird es bei Times New Viking. Denn die haben leider irgendwann beschlossen, dass Keyboarderin Beth Murphy auch singen kann. Was womöglich stimmt – an diesem Abend aber in keiner Sekunde bewiesen wird. Vor allem, wenn sie sich an Harmonien mit Drummer Adam Elliott versucht, klingt das so schief, dass man es auch mit dem Etikett „Lo Fi“ nicht mehr entschuldigen kann. „Ace Tone“ steht auf ihrem Instrument – für ihren Gesang trifft das im Conne Island auf keinen Fall zu, auch wenn das womöglich nur ein einer unzureichenden Abmischung des Monitor-Sounds liegen mag.
Dafür ist das Trio vor allem dann stark, wenn Elliott alleine die Regie übernimmt. Das fängt bei den Ansagen an („We come from the state of Ohio“ lautet die einleuchtende Vorstellung, dann widmet er ein Lied den „Dallas Mavericks, if any of them is in the audience“ und seine letzten Worte auf der Bühne lauten „get drunk“), führt über die Anweisungen an den Tonmeister („More guitars!“) und eine von Markus aus dem Publikum geschnorrte Zigarette und endet bei den Songs, bei denen er ganz und gar im Mittelpunkt steht. Das Tempo und die Konzentration, mit der Times New Viking zu Werke gehen, beeindrucken dann doch, und Teenage Lust ist sogar ein Highlight.
Der Preis für die unangenehmste Gestalt des Abend geht danach an Bob Pycior. Der Geiger von O’Death erfüllte alle Klischees, die man seinem Metier so gerne anhaftet: entrückte Gesichtszüge, ein unseliger Hang, Rock vortäuschen zu wollen, und ein Kleidungsstil, der auf jahrelange Isolationshaft in der Musikhochschule schließen lässt. Sein Sound ist durchaus essenziell für die Wirkung von O’Death, doch schon nach wenigen Minuten wünscht man sich, dieser peinliche Geiger möge doch bitte hinter der Bühne spielen.
Ansonsten legen O’Death aber eine tolle Show hin. Clap Your Hands Say Yeah meets Russendisko, interpretiert mit der Stimme von Frank Black – mit diesem Mix bringen die New Yorker das Conne Island noch einmal richtig in Schwung, nachdem einige bei Dead Western lieber frische Luft geschnappt hatten und bei Times New Viking trotz des sichtbaren Willens, feiern zu wollen, etwas ratlos geblieben waren.
Down To Rest ist der Abschluss für ein feines Konzert, dann folgen noch zwei Zugaben. Am Ende war es dann doch ein netter Familien- und Freundeabend. Auch wenn man ein paar der Gäste beim nächsten Mal vielleicht nicht mehr einladen wird.
Das beste zum Schluss: O’Death spielen Vacant Moan live im Conne Island in Leipzig:
httpv://www.youtube.com/watch?v=0u2lJOXMyww
da hat it aber einer aufn punkt gebracht. leider waren ja dies jahr bisschen wenig leute aufm la familia. hinderte uns ja trotzdem nicht daran spass zu haben. übrigens hast du mit sicherer hand den richtigen tag gewählt (oder der zweite kam mir so lahm vor weil ich selbst sterbensmüde war). anyway, ich bin jetzt schon sehr gespannt auf deine berichterstattung zum popkulturellen großereignis dieser woche. landespokal oder operetten-publikum trifft auf schwarz-gelben proletkult. du bist doch noch dabei am mittwoch? da kannst du dann auch richtigen embedded journalism betreiben und im rb-fanblock das gefühl miterleben, wie es ist, wenn das ganze dorf anwesend ist. hat immer bisschen was von asterix-comic.
greetz -markus-