Lightning Dust Nostalgia Killer

Lightning Dust – „Nostalgia Killer“

Künstler*in Lightning Dust

Lightning Dust Nostalgia Killer Review Kritik
Lightning Dust sind auf „Nostalgia Killer“ noch ein Duo, aber kein Paar mehr.
Album Nostalgia Killer
Label Western Vinyl
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung Foto oben: (C) Timothy O’Sweebe

Rid Of Me von PJ Harvey. Burn Your Fire For No Witness von Angel Olsen. Back To Black von Amy Winehouse. 13 von Blur. Blood On The Tracks von Bob Dylan. Die Liste von Platten, auf denen Künstler*innen das Ende einer Beziehung besingen, ist endlos lang. Ein Teil des früheren Liebespaares ist nicht mehr da. Der andere Teil klagt ein ganzes Breakup-Album lang sein Leid, ist gekränkt, wütend oder sehnsüchtig.

Solche Geschichten sind normalerweise schon bewegend, schmerzhaft oder rührend genug. Lightning Dust setzen mit Nostalgia Killer aber einen drauf und erproben eine noch gewagtere Konstellation: Amber Webber und Joshua Wells sind seit 2007 ein Duo, und bis 2019 waren sie auch ein Paar. Als die Liebe in die Brüche ging, beschlossen sie, trotzdem weiter Musik zu machen. Ein knappes halbes Jahr nach dem Ende ihrer Beziehung tauschten sie, zunächst digital, wieder musikalische Ideen aus. Die neue Platte entstand dann in drei Sessions in Heimstudios in Vancouver (wo Webber zuhause ist) und Chicago (wo Wells mittlerweile lebt).

Zur morgigen Veröffentlichung der Platte betont das Duo, dies sei kein Breakup-Album. Vielmehr gehe es in den zehn Liedern um den tückischen Reiz und die klebrige Anziehungskraft der Vergangenheit ganz allgemein – unabhängig davon, dass diese bei Lightning Dust eben eine just erfolgte Trennung beinhaltet. Man kann auf Nostalgia Killer gute Argumente für die Bestätigung dieser Behauptung finden. Das sphärische Rapids And Rivers gehört mit einer Zeile wie „Memories pour like waterfalls through my eyes“ dazu.

Auch die Single Run passt in dieses Schema. Sie klingt geheimnisvoll, reif, cool und elegant zugleich, als würde Florence Welch auf den Spuren von Pat Benatar, Cyndi Lauper oder Belinda Carlisle wandeln. Das Lied handelt laut Amber Webber „von der Entschlossenheit, weiterzumachen und hart zu lieben. Um dies zu vermitteln, habe ich meine Lieblingsaspekte der Stadt Vancouver hervorgehoben. (…) Ich habe mich für Ratten als Protagonisten entschieden, weil Vancouver einen besonderen Reiz hat, den eine Stadtratte meiner Meinung nach perfekt verkörpert. Bei der tuckernden Bewegung des Liedes waren Ratten auf Skateboards naheliegend – außerdem macht es einfach Spaß. Genau wie die Gefühle, die ich hatte, als ich den Song schrieb. Ich war verloren und hatte kaum noch Vertrauen. Wie die Ratte, die von ihrem Rudel entfremdet wurde und gezwungen war, auf eigene Faust Abenteuer zu erleben. Ähnlich wie in meiner eigenen Geschichte wird die verlorene Ratte mit Hilfe einer neuen Freundschaft wieder vereint und mit ihrer alten Welt versöhnt.“

Zum Bild der im Dreck wühlenden Nager passt auch das wuchtige Only You, das beinahe glauben lässt, Wilson Phillips hätten eine fiese Mädchen-Gang mit Bleached gegründet. I Do erweist sich hingegen als fast klassische Klavierballade, der Album-Schlusspunkt Shadow Of Verona führt in Erinnerung, wie einzigartig die Ästhetik von Lightning Dust ist und wie wunderbar hier Musik und Gesang (der Song würde auch acappella funktionieren) ineinander spielen. Ein Rhodes wie in Feel That ist immer eine gute Idee, allerdings klingt es noch besser, wenn man es – wie hier – mit so schönen Streichern und einer so wundervollen Stimme kombiniert: Das Lied zeigt damit am deutlichsten, wie viel Kreativität bei diesem Duo nicht nur im Songwriting, sondern auch in den Arrangements steckt.

Zugleich gibt es Momente auf Nostalgia Killer, die mit dem Wissen um das Ende der Beziehung zwischen Webber und Wells eine mindestens bittersüße zusätzliche Ebene bekommen. Die Zeile „What makes you think you’re the one“ im Album-Auftakt wirkt durch diesen Kontext besonders giftig, auch Bass und Schlagzeug scheinen hier zu Aufruhr anstacheln oder gar Rache nehmen zu wollen. Dass das (wie etliche andere Stücke der Platte) an Fleetwood Mac erinnert, die mit Rumours vielleicht die Mutter aller Breakup-Alben gemacht haben, passt da ebenfalls ins Bild.

„Have we reached the end of a dream?“, fragt Amber Webber in Fallen New, das besonders viel Raum für ihre Stimme lässt, „I’m running from this fantasy“, bekennt sie im bedrohlichen 7 Year War. Die Metapher vom Krieg (der Geschlechter) wählen Lightning Dust auch in Different War, das die akustische Gitarre als Basis erkennen lässt – vor allem aber den Schmerz, aus dem (auch) dieses Lied entstanden ist.

Das Video zu Wrecked ist sexy und gruselig zugleich.

Lightning Dust bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.