Künstler*in | Lily Konigsberg | |
Album | Lily We Need To Talk Now | |
Label | Wharf Cat | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Rumours von Fleetwood Mac. Back To Black von Amy Winehouse. Tunnel Of Love von Bruce Springsteen. Body Talk von Robyn. Rid Of You von PJ Harvey. Blood On The Tracks von Bob Dylan. Burn Your Fire For No Witness von Angel Olsen. 13 von Blur. All das sind meisterhafte Platten, die nach dem Ende einer Liebesbeziehung entstanden sind und zum großen Teil auch dieses Ende zum Thema machen. Auch das erste Soloalbum von Lily Konigsberg fällt in diese Kategorie. Es gibt allerdings einen sehr entscheidenden Unterschied bei der in Brooklyn geborenen und aufgewachsenen Künstlerin: Auf Lily We Need To Talk Now herrscht musikalisch größtenteils gute Laune. „Auf diesem Album geht es eindeutig um die Trennung von jemandem, den ich liebe. Aber in all meiner Musik gibt es Humor. Ich nehme mich selbst nicht zu ernst“, lautet ihre Erklärung dafür.
Man hört das beispielsweise in der Single Sweat Forever. „I’m still here / is that what you wanted?“, ruft sie dem Ex nach einer langjährigen Beziehung hinterher, aber mit einer von einem elektronischen Beat, der niedlichen Stimme und einem lebendigen Bass erzeugten Heiterkeit, die typisch für diese Platte ist. Das zieht sich bis zum Album-Schlusspunkt True, der laut Lily Konigsberg davon handelt, „dass man denkt, man könne nicht ohne diese eine Person leben. Aber man kann eben doch.“ Im Text zeigt sie die Parallelen zwischen dem Ende einer Beziehung und einem schmerzlichen Todesfall nach. „Du kannst dir nicht vorstellen, dass jemand in deinem Leben nicht mehr da ist, aber dann ist er tatsächlich plötzlich weg. Und manchmal ist man glücklich und lacht, und manchmal trauert man. Aber das Leben geht weiter“, erklärt sie diese Idee, die auch hier mit fast übermutiger Spielfreude vom Bass bis zum Klimperklavier umgesetzt wird.
Auch die Vorab-Single That’s The Way I Like It hat so einen Charakter. Der Song behandelt die Kämpfe innerhalb einer Beziehung, die irgendwann so anstrengend und so zahlreich werden können, dass daraus ein Kampf um die Beziehung wird, während die Musik mit ihrer riesigen Dosis an Schwung und Verspieltheit beispielsweise an Stella Donnelly denken lässt. „Ich habe das Lied innerhalb von 20 Minuten geschrieben“, verrät Lily Konigsberg.“Die Akkorde sind symmetrisch, so dass es wirklich Spaß macht, es auf der Gitarre zu spielen. Es ist ein verdammt eingängiger und frecher Song darüber, dass ich bekomme, was ich will, wenn ich es verdiene. Also nicht jederzeit. Sondern nur, wenn ich es verdiene.“
That’s The Way I Like It verweist noch auf zwei weitere wichtige Eckpunkte von Lily We Need To Talk Now, nämlich die enorme Produktivität und Kollegialität dieser Künstlerin. Schließlich ist Lily Konigsberg auch Mitglied der Art-Rock-Band Palberta, die erst Anfang des Jahres ihr Album Palberto5000 veröffentlicht haben. Ihre Bandkollegin Nina Ryser spielt hier das Schlagzeug. Zudem hatte sie erst im Mai unter dem schönen Titel The Best of Lily Konigsberg Right Now eine Sammlung ihrer frühen Solo-Aufnahmen veröffentlicht, die zuvor bloß bei Bandcamp und Soundcloud verfügbar waren. Auch ihre erste EP It’s Just Like All The Clouds ist gerade erst anderthalb Jahre alt, sie wurde damals von Paco Cathcart (The Cradle) produziert, der nun auf That’s The Way I Like It als Backgroundsänger mitmacht.
Auch Andrea Schavelli, mit dem sie 2017 die Split-Scheibe Good Time Now gemacht hatte, und Matt Norman, mit dem sie gemeinsam als Lily And Horn Horse ein Duo bildet, sind auf Lily We Need To Talk Now dabei, das von Nate Amos (Mitglied bei Water From Your Eyes) produziert wurde. „Ich liebe einfach alle meine Freunde, und ich bin sehr glücklich, dass sie ein Teil dieser Platte sein konnten. Charlie, Hugo, Nina, Paco, Andrea, Matt, Nate. Sie alle inspirieren mich sehr”, sagt sie.
Gemeinsam stellen sie Lieder auf die Beine wie Bad Boy, dessen wichtigste Zutaten Fuzz, Wucht und Tempo sind, oder Roses, Again, das neben der irritierenden Zeile „Hold me like a dead fish“ auch mit etwas Jangle aufwartet. Don’t Be Lazy With Me wird erstaunlich sphärisch, das geheimnisvolle Alone überrascht mit zurückgenommenen RnB-Elementen. In Hark thematisiert Lily Konigsberg den Prozess des Songwritings selbst, einschließlich der Momente, in denen man dabei nicht weiter kommt und Ideen verwerfen muss, obwohl man das Potenzial darin klar erkennt. „I hate the fact that I belong to something / that needs my help / or else it will die,” singt sie nun in dem Stück, zu dem sie treffend sagt: „Es ist ein schräger Song, aber auf seltsame Art eingängig.“ In der Tat wirkt Hark, als wäre ein guter Indiepop-Track in einen Reißwolf geraten und viel aufregender (weil abstrakter) wieder herausgekommen.
Ein Highlight des Albums ist auch Proud Home. „You’ve got a lot of fucking things to be proud of!“, lautet der Hinweis, der eine Freundin trösten soll, die offensichtlich in Lilys Mutter verliebt ist. Die Parallele zu Stacy’s Mom der legendären Fountains Of Wayne ist dabei offenkundig, Lily Konigsberg widmet den Song deshalb deren 2020 verstorbenen Frontmann Adam Schlesinger. Zugleich zeigt sie in Proud Home vieles, was ihre Songs auf Lily We Need To Talk Now insgesamt ausmacht: Es ist originell und dabei unmittelbar, es ist charmant und hat dennoch Ecken und Kanten. Letztlich wird so auch klar, wie die Kreativität dieser Künstlerin mit dem erstaunlich optimistischen Charakter dieser Platte zusammenhängt: Wer in diesem Ausmaß über die Fähigkeit verfügt, Dinge anzupacken und auf die Beine zu stellen, kann eben auch Krisen und Liebeskummer besser meistern.