Künstler | LIRR | |
Album | God’s On Our Side, Welcome To The Jungle | |
Label | Grand Hotel van Cleef | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Es sind die Livequalitäten, die den fünf Jungs von LIRR in ihrer bisherigen Laufbahn etliche Bewunderer eingebracht haben. Ihre Stärke auf der Bühne hat letztlich auch dafür gesorgt, dass ihr Debütalbum God’s On Our Side, Welcome To The Jungle heute bei einem so renommierten Label wie Grand Hotel van Cleef erscheint.
Paul Schuldt, der die Band entdeckt und auf seiner Plattenfirma Through Love Records die 2016er EP Ritual veröffentlicht hat, erzählt gerne die Geschichte aus dem Jahr 2015, als er LIRR in der Roten Flora live erlebte und sofort eine Platte mit Joe, Maxim, Leif, Mats und Moritz machen wollte. Ganz ähnlich lief es ab, als etwas später Malek Scharifi von der deutlich größeren Hamburger Plattenfirma sein erstes LIRR-Erlebnis hatte.
Hört man God’s On Our Side, Welcome To The Jungle, ist es nicht schwer, sich das vorzustellen. Denn drei Elemente prägen das Album, die im Konzert noch deutlicher (oder wahrscheinlich: mit noch mehr Schockwirkung) zur Geltung kommen dürften. Da ist erstens eine enorme Musikalität, da ist zweitens ein sehr eigenwilliger Mix der Genres, wobei so etwas wie Emo der Baumstamm ist, aus dem aber auch Zweige in Richtung Indie, Jazz, Hardrock, Soul und sogar Electro wachsen. Drittens ist, und das ist entscheidend, bei LIRR eine unerschütterliche Überzeugung zu erkennen, dass dieser und nur dieser Sound das ist, was sie machen wollen.
This House Is Clean, Baby (This House Is Clean) eröffnet die Platte, erweist sich als Emo in der Strophe und Screamo im Refrain – das könnte man fast als eine Kurzcharakterisierung der Band durchgehen lassen. Zugleich ist es der Beginn einer Rahmenhandlung für dieses Album, die vom Aufwachen im Dschungel erzählt, bevor der Protagonist in den folgenden Tracks einem goldenen Puma begegnet, der ihn dann durch den Urwald begleitet.
Auch im sehr komplexen Jungle, Pt. 1 ist der Gesang im Modus des Ausrastens, die Gitarren hingegen klingen geradezu filigran. In Jungle, Pt. 2 toben sich alle aus, am deutlichsten der Schlagzeuger, trotzdem bleibt in diesem Stück auch Platz für Überraschungen. Wie wichtig die sind, zeigen LIRR auch im ebenfalls in zwei Teile gegliederten Sour: Da gibt es plötzlich eine erstaunlich weiche Kopfstimme zu einem zurückgenommenen Groove, der dann zwar ein wenig eskaliert, im Prinzip aber erhalten bleibt.
Grow beginnt mit elektronischen Beats, die den Song wie eine intelligente Version von Linkin Park wirken lassen, bevor besonders cleverer Postrock daraus wird, der anscheinend nach jedem zweiten Takt ein neues Genre für sich erobert. MTV setzt auf einen vergleichsweise konventionellen Indie-Sound mit großer Melancholie. Sogar die Gitarre will darin plötzlich angenehm klingen, dazu gibt es die schöne Lebensweisheit „I get drunk in the morning / so I can go to bed at 5“ – das wäre auch von den Wombats oder sogar The Cure vorstellbar.
Das folgende Down beginnt mit halsbrecherischem Tempo, dann wird die Geschwindigkeit gedrosselt und die Energie stattdessen in eine wütende Wucht gelegt, schließlich setzt doch noch so etwas wie Entspannung ein. Mit Chicago beschließt wieder ein in zwei Parts unterteiltes Stück dieses erstaunliche Debütalbum: Alles darin wirkt zugleich spontan und genau ausgeklügelt. Es ist ein Mosaik, mit dem LIRR noch einmal zeigen, was sie können.