Künstler | LP | |
Album | Heart To Mouth | |
Label | BMG | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Zwei Dinge erstaunen am meisten, blickt man auf das heute erscheinende fünfte Album von Laura Pergolizzi alias LP: Zum einen, dass eine Künstlerin mit einer so markanten Stimme für lange Zeit vor allem eher als Songwriterin für andere Sängerinnen (unter anderem Rihanna, Rita Ora oder Christina Aguilera) erfolgreich war denn als Interpretin. Auch auf Heart To Mouth gilt: Der Gesang von LP gibt diesen Liedern etwas, das ihnen niemand sonst geben könnte. Der Guardian hat diese Einmaligkeit einmal so zusammengefasst: „Sie sieht aus wie eine Kreuzung aus John Cooper Clarke und Patti Smith, und ihre Stimme klingt wie eine Mischung aus Gwen Stefani und Cyndi Lauper. LP verbindet diese Zutaten zu etwas, das es sonst nirgends gibt.“
Zum anderen überrascht, wie mutlos die Sängerin aus New York hier agiert. Nachdem ihr 2016 mit Lost On You der internationale Durchbruch gelungen war, nach zuvor drei weitgehend erfolglosen Alben, scheint sie nun in erster Linie auf Nummer sicher gehen zu wollen, dass ihre neuen Lieder weiter gut ins Radio passen und die gerade erst gewonnenen Fans bloß nicht verprellt werden. Vieles auf Heart To Mouth, bei dem LP mit etlichen Co-Autoren gearbeitet hat, wirkt kalkuliert, blutleer und schablonenhaft. The Power beginnt mit einem unmotivierten „Yeah Yeah“, das auch danach nicht glaubwürdig wird, When I’m Over You hat im Refrain eine Ausgelassenheit, die simuliert wirkt, Special will als Abschluss des Albums wohl besonders energisch sein, klingt aber bloß krawallig.
Besonders auffällig wird das, wenn das Songmaterial selbst schwächelt. In Dreamer kann auch ihre Stimme nicht retten, was die Komposition versäumt hat. In Die For Your Love funktioniert die Strophe noch recht gut, auch wenn man das darin eingesetzte Rezept (einfache Schrammelgitarre trifft auf noch einfacheren Beat) zuletzt ein bisschen zu oft gehört hat, der Refrain ist allerdings eine Luftnummer. Die Single Recovery schreit deutlich zu laut und mit viel Pomp „große Klavierballade“, was umso seltsamer ist, weil der Text von der Bitte um Rücksichtnahme handelt. House On Fire spielt wenig überzeugend mit Weltmusik-Elementen von Latin bis Balkan.
Insgesamt präsentiert die 1981 geborene Sängerin hier ein Durcheinander, in dem viele Songs auch von anderen Künstlerinnen von Lana Del Rey bis Lady Gaga vorstellbar wären. Statt auf ihre Unverwechselbarkeit zu setzen, nutzt LP ihre Stimme bloß als Vehikel für lauter Lieder, die kaum zusammen passen und auch verhindern, dass das Album als solches einen stimmigen Charakter bekommt. Das ist besonders verwunderlich, weil es textlich ein klares Leimotiv gibt, nämlich das (unausweichlich bevorstehende) Ende einer Beziehung. Es ist auch ärgerlich, weil LP dieses Werk als maximal authentisch verkauft: “Wenn ich ans Mikrofon trete und anfange, Melodien zu singen, kann ich eine direkte Verbindung zwischen meinem Herzen und meinem Mund spüren“, sagt sie über die Erfahrung, die dem Album auch den Titel gab. „Früher musste ich eine ganze Stadt voller Straßen erkunden, jetzt fühlt es sich an, als hätte ich eine mehrspurige Autobahn gefunden, über die ich meine Gefühle nach außen tragen kann. Ob die Lieder etwas trauriger sind oder große Hymnen: Sie gaben alle denselben Ursprung.“
Es gibt durchaus ein paar Songs auf dieser Platte, denen man die in diesem Zitat proklamierte Aufrichtigkeit anhören kann. Der Opener Dreamcatcher gehört dazu, der in der Atmosphäre und im Gesang eine Ähnlichkeit zu Fleetwood Mac zeigt, auch Shaken, ein gelungenes Eifersuchtsdrama mit Punch und Leidenschaft. Die Single Girls Go Wild ist leichtfüßig, ausgelassen und dabei zugleich ein winziges bisschen wehmütig, was sehr reizvoll wird. Hey Nice To Know Ya überzeugt mit einem sehr guten Arrangement, das gilt für den effektvollen Chor ebenso wie für den Einsatz der Percussions und den angedeuteten Sprechgesang.
Auf die Habenseite schafft es auch das akustische One Night In The Sun. Es erinnert an die Vorliebe für Ukulele, die LP zu Beginn ihrer Karriere immer wieder ausgelebt hatte, und verweist auf die Singer-Songwriter-Wurzeln ihrer Musik, die einst unter anderem von David Lowery (Cracker) gefördert wurde. So professionell sie mittlerweile mit zeitgemäßen Produktionstricks zu hantieren weiß, weckt auch dieses Lied dennoch den Wunsch, sie hätte den Rückenwind von Lost On You genutzt, um sich wieder stärker in diese Richtung zu bewegen. Nicht nur, weil ihr dieses Genre unverkennbar am meisten am Herzen liegt, sondern auch, weil es dann gelingen könnte, wirklich einmalige Musik zu machen.