Künstler | Luluc | |
Album | Sculptor | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Das muss man erst einmal hinbekommen. “Fuck You”, lauten zwei der Worte, die Zoe Randell in Cambridge singt, aber es klingt, begleitet fast nur von Gitarre und einer leise Orgel, geradezu liebevoll. Später wiederholt sie diesen Trick in Genius noch einmal: “Bang Bang”, singt sie da in einem Moment, aber statt nach Explosion und Krawall klingt es zärtlich.
Das zeigt zwei typische Eigenschaften von Luluc, dem australischen Duo, das Zoe Randell gemeinsam mit Steve Hassett bildet. Erstens beweisen sie auch auf ihrem dritten Album Sculptor, erstmals aufgenommen im eigenen Studio in Brooklyn, eine Feinfühligkeit, die beinahe unerreicht ist und ihnen reichlich prominente Bewunderer eingebracht hat. Produzent Joe Boyd (der Mann, der Nick Drake entdeckt hat) war begeistert, als er ihr Debütalbum Dear Hamlyn (2008) hörte. Janet Weiss von Sleater-Kinney will man nicht widersprechen, wenn sie über Luluc sagt: „Es ist Musik, ohne die man nicht mehr leben kann, wenn man sie einmal gehört hat.“ Und Matt Berninger von The National lobte das 2014er Album Passerby allerorten als „the only album I wanted to listen to for months”.
Zweitens sollte man nicht den Fehler machen, die Songs von Luluc wegen dieser Sensibilität für beschaulich zu halten. Sculptor nimmt Konflikte und Kompromisse in den Blick, Fantasie und Flucht. „Meine eigenen Erfahrungen als Teenager waren oft nervenaufreibend. Die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, war ein tolles Studienobjekt für Tratsch, Skandale, Vorurteile und die Bereitschaft der Leute, all das einfach hinzunehmen”, sagt Zoe Randell. „Grob gesagt, wollte ich mit den neuen Liedern den Schwierigkeiten nachspüren, die das Leben uns bereiten kann. Wie wir damit umgehen, wie sie uns formen können, und welche Macht sie über uns haben”, umreißt sie den Ausgangspunkt. „Es geht auch um das Potenzial, das für jedermann da ist, die verschiedenen Leben, die sich daraus entwickeln können.”
Der Albumauftakt Spring setzt das mit der Metapher des Frühlings um, basierend auf dem Gedicht Spring Days And Blossom von Ise. Der hier angekündigte Frühling scheint extrem gemächlich zu kommen, aber gerade in diesem reduzierten Tempo mit fast improvisiert wirkendem Schlagzeugspiel lässt sich erkennen, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, die er bietet. Diese Subtilität beweisen Luluc auch in Kids (mit Aaron Dessner von The National als Gast an der Gitarre) mit einem Gesang wie unter Hypnose, der am Ende dennoch große Dramatik zur Entfaltung kommen lässt. Me And Jasper (mit einem Gitarrensolo von J Mascis) besticht mit seinem Harmoniegesang, Controversy wirkt sehr intuitiv und wie ein geradezu müheloser Folksong. Im Titelsong Sculptor schaffen es Luluc, aus einer banalen Szene wie dem Warten zwischen der Ansage “Boarding completed” und dem tatsächlichen Abheben eines Flugzeugs eine sehr spannende Situation mit fast existenzialistischen Reflexionen zu machen.
„Das Leben ist etwas, das du geschenkt bekommst, und du kannst dich dann jahrelang ablenken lassen oder es sogar zerstören, oder du kannst dir klar machen, dass du Kontrolle darüber hast und es gestalten kannst”, erläutet Steve Hassett seinen Blick auf die Themen des Albums. Wie meisterhaft Luluc das beherrschen, beweist beispielsweise Moon Girl mit klassischem Gitarrenpicking, tollem Gesang und der genau richtigen Dosis an Unruhe im Hintergrund. Viele Lieder klingen wie ein Zwiegespräch, am deutlichsten ist das in Heist zu erkennen. Nicht nur bei Zeilen wie “I thought you and I were friends” oder “How can you say that?” ist der Gesang von Zoe Randell höchst eindringlich. Needn’t Be wird geradezu zu einer Beschwörung. Auch hier kann man wieder den eingangs erwähnten Trick erleben: Eine Zeile wie “It needn’t be so hard for you and me” würde Bitterkeit erwarten lassen, aber hier steckt etwas anderes darin: Weisheit.