Künstler | Man Without Country | |
Album | Foe | |
Label | Pias | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Warum Wales, aus dessen Süden Tomas Greenhalf und Ryan James stammen, die seit 2011 als Man Without Country miteinander musizieren, kein Land sein soll, beantwortet dieses vor sechseinhalb Jahren erschienene Debütalbum nicht. Dafür liefert das Duo bereits mit Foe, produziert von Ken Thomas (Sigur Rós, M83, Dave Gahan) einige gute Hinweise darauf, wie die Zukunft von Elektropop aussehen könnte. Was spätere Werke wie Maximum Entropy (2015) an Klasse zeigen sollten, wird hier schon mehr als angedeutet.
Der Titelsong Foe eröffnet die Platte mit einem Ambient-Fokus und einem Text, der von einer Computersoftware gesprochen wird. Die folgende Single Puppets gibt dann gleich einen guten Überblick über die besondere Stärke von Man Without Country: Das Lied hat viel Punch, eine Stimme, die wie gemacht zu sein scheint für Elektropop (und damit in der Tradition beispielsweise von Neil Tennant oder Phil Oakey steht), und vor allem einen klasse Refrain. „Wir haben eine Vorliebe für große, poppige Refrains und in diesem Song versuchen wir nicht im geringsten, das zu verbergen“, hat die Band im Track-by-Track mit Clash Music erzählt.
Auch Ebb & Flow zeigt dieses Faible, wenn auch mit leicht abgewandelten Mitteln: Der Song ist sehr reduziert in der Strophe, dafür umso größer im Refrain, und platziert ein sehr eindrucksvolles Bild am Anfang: Er könne nicht mehr weiter singen, weil seine Lungen schon alles gegeben haben, was in ihnen steckt, konstatiert Ryan James da. Die Single Closet Addicts Anonymous vereint Aggressivität, Ungeduld, Eleganz und Originalität wie man das etwa von Zoot Woman kennt. King Complex (von der gleichnamigen EP, die 2011 das Debüt für Man Without Country war) nimmt mit Spieluhr, dramatischen Drums und ironischen Zeilen wie „There’s no such thing as bad publicity“ das hohle Leben von Berühmtheiten in den Blick, die perfiden Strategien, mit denen sie daran arbeiten, im Rampenlicht zu bleiben – und die Frage, warum wir das eigentlich interessant finden sollten.
Foe lässt immer wieder ein paar Italo-Einflüsse anklingen und ist unverkennbar das Werk von Musikern, die ihre Liebe zum Detail ausleben, das Frickeln an Sounds, Instrumentierung und Effekten maximal zelebrieren. So würde die Klaviermelodie von Parity ebenso gut zu einem Horrorfilm passen wie die Computerstimme, die hier erneut zum Einsatz kommt, und die seltsam spukige Warnung: „The walls you decorate surround you every day“ ausspricht. Migrating Clay Pigeon hat einen dramatischen Start, dann erhält das kraftvolle Schlagzeug die Spannung aufrecht, während der Rest der Musik eher luftig wird. Der Album-Schlusspunkt Inflammable Heart nimmt einen fast umgekehrten Verlauf: Er beginnt verschlafen und bekommt dann immer mehr Energie, bis das Stück annähernd Techno-Charakter hat und schließlich doch wieder entschwebt.
Iceberg hat eine klar definierte Zielgruppe: „Wir bilden uns ein, dass jeder, der schon einmal in einer Beziehung betrogen worden ist, in diesem Lied ein bisschen Genugtuung finden kann“, haben Man Without Country bei Clash Music gesagt. Zu einer recht prominenten Klavierfigur ist ihre Empörung über Menschen, die kein Rückgrat und keine Moral haben, dafür aber eine Vorliebe für Tricks und Lügen, in der Tat sehr spürbar, nicht nur wegen fieser Zeilen wie „How do you sleep at night? / how can I send you shivers / when you don’t have a spine?“ Clipped Wings ist eines von mehreren Liedern von Foe, in denen der Gesang einen Tick zu leise abgemischt scheint. Natürlich ist das bei Studioprofis wie Tomas Greenhalf und Ryan James kein Versehen. Stattdessen zeigt es: Der Gesang ist nicht der Hauptzweck des Lieds und keinesfalls, wie im Pop üblich, wichtiger als die anderen Elemente. Es geht ihnen nicht darum, eine Geschichte zu erzählen, sondern eine Atmosphäre zu erzeugen. Und dass die Stimme manchmal im Rest des Sounds zu verschwinden droht, passt perfekt zu den oft rätselhaften Texte und zum sehr subtilen Charakter dieser Platte.