Manderlay

Film Manderlay

Manderlay Review Kritik
Grace (Bryce Dallas Howard) will auf einer Plantage die Selbstverwaltung etablieren.
Produktionsland Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, Deutschland
Jahr 2005
Spielzeit 139 Minuten
Regie Lars von Trier
Hauptdarsteller Bryce Dallas Howard, Isaac de Bankolé, Willem Dafoe, Danny Glover, Chloë Sevigny, Udo Kier
Bewertung

Worum geht’s?

Alabama, 1933: Grace ist die Tochter eines Gangsterbosses und eine fortschrittliche junge Frau. Als sie mit dem Tross ihres Vaters an einer Baumwoll-Plantage namens Manderlay vorbeikommt, erfährt sie, dass dort noch die offiziell längst abgeschaffte Sklaverei praktiziert wird. Sie ist empört und beschließt, das Gut, dessen eigentliche Besitzerin gerade im Sterben liegt, mit Hilfe der bewaffneten Männer ihres Vaters zu übernehmen und in eine bessere Zukunft zu führen. Sie übernimmt die Verwaltung von Manderlay und verkündet: Die jetzt freien Schwarzen werden die neuen Besitzer; die Weißen, die bisher dort angestellt waren, werden künftig wie Sklaven behandelt. Doch das Experiment erweist sich als schwierig, für sie selbst ebenso wie für die Bewohner der Plantage.

Das sagt shitesite:

Fangen wir mit den Formalia an: Manderlay ist der zweite Teil in der Amerika-Trilogie von Lars von Trier. Den Nachfolger von Dogville (der dritte Teil steht weiterhin aus) hat er in acht Kapitel unterteilt, ein Erzähler aus dem Off führt durch die Handlung und kommentiert diese. Die Szenerie ist deutlich näher am Theater als an den üblichen Film-Standards: Die einzelnen Gebäude der Plantage werden nur mit weißen Linien auf dem Boden umrissen, auch sonst gibt es fast keine Requisiten, die Möglichkeiten der Kameraführung und der Einsatz von Licht werden nur minimal genutzt.

Mit diesen Mitteln erzählt er eine Fabel, die mit Naivität beginnt und in Anarchie endet. Grace ist getrieben von Idealismus und Selbstüberschätzung, beides wird dabei auch angestachelt von den Schuldgefühlen, die sie als privilegierte Weiße hat. „Manderley ist eine moralische Verpflichtung, weil wir euch geschaffen haben“, lautet ihre Überzeugung im Umgang mit den einstigen Sklaven. Sie ist geschockt, als ihre Umerziehungsmaßnahmen nur widerwillig angenommen werden und die von ihr eingeführten basisdemokratischen Abstimmungen nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Vor allem zeigt sich im Verlauf der fast zweieinhalb Stunden, wie unfähig sie ist, der Verantwortung gerecht zu werden, die sie freiwillig auf sich genommen hat.

Grace kann nicht glauben, dass die bisherigen Sklaven freiwillig in der Repression bleiben wollen, weil sie glauben, nicht in Freiheit leben zu können. Manderlay inszeniert die Schwarzen wahlweise als devot, unvernünftig oder faul, immer wieder der „allzu köstlichen Macht der Gewohnheit“ erliegend, sich selbst bezeichnend als „Menagerie von Geschöpfen, die in freier Wildbahn keine Chance hätten.“ Wilhelm, der älteste von ihnen und zugleich Sprachrohr der Gemeinschaft, fragt Grace an einer Stelle: „Glauben Sie wirklich, wir hätten nach 70 Jahren keinen Weg gefunden, uns zu befreien? Das hätten wir längst getan, wenn wir einen Sinn darin gesehen hätten.“

Manderlay wird damit zu einem lebenden Beweis für die verheerende Wirkung der Unterdrückung. Lars von Trier zeigt geschickt die Mittel der Repression auf: Kapital, Waffen, das Ausnutzen von Gier und Schwächen (beides hier zusammengefasst im Glücksspiel). Die Aktualität dieser Parabel liegt nicht nur in den Konflikten, die in den USA weiterhin als Folge von Rassismus bestehen, sondern auch im Bestreben des Westens (und zwar egal, ob wohlmeinend oder imperialistisch getrieben), den Rest der Welt mit seinem Lebensmodell zu beglücken. Der Film macht deutlich: Aufklärung bringt wenig, wenn die eigenen Interessen und möglicherweise konfligierende Wertvorstellungen, die dabei im Hintergrund stehen, verschwiegen werden. Selbstbestimmung ist ein Widerspruch in sich, wenn sie aufgezwungen wird.

Was dabei stört, ist die Überbetonung des Zusammenspiels von Macht und Sex, das Lars von Trier in einer sadomaochistischen Beziehung zwischen Grace und einem der Sklaven zeigt. Vor allem aber ist es seine Position als Besserwisser: Wie in seinen anderen Filmen, moralisiert er zwar auch hier nicht, lässt seine Protagonisten fehlbar sein und die Ereignisse ihren Verlauf nehmen. Aber er führt diese Fehlbarkeit vor, er scheint innerlich permanent den Kopf darüber zu schütteln, wie dumm sie sich verhalten – und ist damit in einer ähnlichen Oberlehrer-Haltung wie Grace.

Bestes Zitat:

„Es gibt keinen Grund, für etwas dankbar zu sein, das so natürlich ist wie Ihre Freiheit.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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