Mano Le Tough – „At The Moment“

Künstler*in Mano Le Tough

Mano Le Tough At The Moment Review Kritik
Mano Le Tough wird auf „At The Moment“ nicht nur beim Cover psychedelisch.
Album At The Moment
Label Pampa
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

„Ich mochte schon immer dieses Zitat von Stéphane Mallarmé: ‚Poesie ist die Sprache der Krise'“, sagt Niall Mannion alias Mano Le Tough. Der irische Produzent und DJ hat nämlich ebenfalls die Erfahrung gemacht, die schon Elton John mit der Zeile „Sad songs are easier to play“ besungen hat: „Es ist schwer, gute Musik darüber zu machen, dass alles toll ist. Alles läuft großartig – wer will sich das anhören? Alles, was ich gemacht habe – alles, von dem ich dachte, dass es irgendeine Art von künstlerischem Wert hat – ist durch Kämpfe entstanden, die ich in meinem Leben auszufechten hatte.“

Man darf also annehmen, dass er in seiner Wahlheimat Zürich zuletzt eine kreativ sehr fruchtbare Zeit hatte, schließlich befinden wir uns weiterhin in einer Pandemie. Und in der Tat zeigt er sich auf dem morgen erscheinenden At The Moment gut in Form und äußerst vielseitig. „Die Welt, die auseinanderfällt, war ein großer Teil davon“, sagt er über die Quelle seiner Inspiration, „aber es geht nicht direkt darum. Als alles so durcheinander war, wurde das Musikmachen einfach zu etwas, in dem ich mich verstecken und kreativ sein konnte, um mich auszudrücken.“

Im Album-Auftakt Man Of Aran hat er eine Symbolfigur dafür gefunden, die in einem Sample aus einem Dokumentarfilm auch gleich mit den Zeilen „On a stormy night / if you start to pray“ zu hören ist. Im Film wird das Leben auf den Aran-Inseln vorgestellt, einem der entlegensten Außenposten Irlands. Die Einwohner*innen werden so porträtiert, wie die Menschen im Norden häufig sind: wortkarg, stoisch, wetterfest – und natürlich sind das Eigenschaften, die auch in anderen Gegenden der Welt hilfreich sind, um Krisenzeiten überstehen zu können. Der entsprechende Track setzt das mit viel mehr Fokus auf Melodie und Atmosphäre als auf den Beat um, auch danach zeigt sich Mano Le Tough immer wieder eher feinfühlig als tanzwütig. Das gilt für das sehr einnehmende Aye Aye Mi Mi, das irgendwo zwischen The Notwist und Robag Wruhme seinen Platz findet, ebenso für das detailreiche So Many So Silent oder No Road Without A Turn, bei dem man glauben könnte, Eric Clapton oder Chris Rea hätten sich an Dub versucht.

Ohnehin hat die Gitarre auf At The Moment eine erstaunlich prominente Rolle. Sie ist in Snow On Bamboo ebenso überraschend wie die Spielereien mit dem Drumcomputer, ertönt in Short Cuts gleich in mehrfacher Ausprägung, und zwar keineswegs nur als Beiwerk, sondern offensichtlich als Ausgangspunkt dieses Tracks, und trägt gemeinsam mit den alten Synthies und der Stimme zur Wärme bei, die Empty Room durchströmt, in dem man eine Ähnlichkeit mit Alle Farben erkennen kann.

„Ich war entspannter, auf dieser Platte verschiedene Stile zuzulassen. Ich habe weniger Wert darauf gelegt, dass die Ergebnisse in eine bestimmte Szene passen müssen“, sagt Mano Le Tough. „Das habe ich schon früher versucht, und es hat meine Kreativität getötet. Bei dieser Platte ging es darum, die Kreativität zu umarmen, sich nicht von Tempo oder Songlänge einschränken zu lassen oder davon, wie es in bestimmten Umgebungen funktionieren würde.“ So gibt es nun den leiernden Psychedelic-Charakter von Moment To Change, der auch zu den Flaming Lips passen würde, neben einem Track wie Fadó Fadó, aus dem man durch die Gitarre (schon wieder) und den (als Saiteninstrument, nicht mit dem Keyboard gespielten) Bass vielleicht sogar einen Rocksong machen könnte.

Pompeii klingt zunächst durchschaubar und eindimensional, bietet aber immer wieder kleine Überraschungen, New/cycles wird so experimentell wie der Titel es vermuten lässt, Together beendet die Platte mit mehr Tempo und Hektik, als man es bis dahin auf At The Moment erleben konnte. Das Stück könnte eine große Rave-Hymne sein, wenn es wollte, aber es bleibt lieber ein bisschen dezent, was ebenso reizvoll ist – und ja auch besser in eine Pandemie passt.

Eine Kostprobe von Aye Aye Mi Mi.

Website von Mano Le Tough.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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