Marilyn Manson – „Born Villain“

Künstler Marilyn Manson

Marilyn Manson Born Villain Review Kritik
Marilyn Manson übt sich auf „Born Villain“ in intelligenter Provokation.
Album Born Villain
Label Cooking Vinyl
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

„I’m not man enough to be human / but I’m trying to begin / and I’m learning to fake it“, singt Marilyn Manson am Anfang von The Gardener. Das ist nicht nicht nur ein Vers von tatsächlich erschreckender Kraft. Es ist auch eine gute Entsprechung für die Perspektive, die der heute 49-Jährige auf Born Villain, dem 2012 veröffentlichten achten Studioalbum seiner Band, einnimmt: Er spielt auch hier mit der monströsen Kunstfigur, die er erschaffen hat, aber er wird gelegentlich auch als echter Mensch erkennbar – oder er tut zumindest so.

Neben den formalen Änderungen (Schlagzeuger Ginger Fish war ausgestiegen, es gab eine neue Plattenfirma) hatte Manson im Vorfeld des Albums auch ästhetisch einige Neuerungen angekündigt, beispielsweise mehr Romantik und mehr Konzept. Das darf man im Nachhinein getrost als Marketing-Bluff werten: Es gibt auf Born Villain sowohl mehr Härte als auch mehr elektronische Elemente als auf den Vorgängern. Im Prinzip ist aber alles typisch Marilyn Manson: fieser Sound, fiese Stimme und fiese Texte. Das, was Manson selbst hier als „suicide death metal“ tituliert, vereint viele Klänge aus Industrial, viel Zynismus aus dem Punk und viel Theatralik aus dem Hardrock. Einzigartig ist das vor allem durch den Willen zur intelligenten Provokation, den man hier findet, und ein zitatreiches Spiel mit der Persona, für das ein knappes Vierteljahrhundert eigener Historie eben durchaus hilfreich ist.

Hey, Cruel World eröffnet die Platte mit der typischen Perspektive, in der Marilyn Manson ausgestoßen, gebrandmarkt und natürlich: wütend ist. Die Single No Reflection ist wie gemacht für die Grufti-Disco und dürfte dort wohl sogar für das eine oder andere heimliche Lächeln sorgen – zumindest, bis die Zeile „You don’t want to know what I will do to you“ kommt und sich alle wieder sehr gefährlich, kaltblütig und blutrünstig fühlen dürfen. Pistol Whipped spielt mit Sadomaso-Metaphern, wobei Manson in der Strophe die Rolle des Sadisten einnimmt, im Refrain hingegen selbst gezüchtigt wird. Overneath The Path Of Misery glorifiziert die Härte ohne Grund, wie der Sänger selbst bekennt.

Breaking The Same Old Ground ist einer von mehreren Tracks, die in erster Linie funktionieren, weil sie Marilyn-Manson-Tracks sind: Es gibt eben nicht so viele Künstler, bei denen niedliche Spieluhren und verträumte Klaviermelodien auf wildes Geschrei voller Todesbesessenheit und Zeilen wie „Come on, use your fist“ treffen. Sehr exemplarisch ist auch die Single Slo-Mo-Tion: Ein metallisches Bass-Riff wird zum Fundament für einen Groove, den man eindeutig als einnehmend bezeichnen kann. Die im Songtitel erwähnte Verlangsamung wird wohl eher nicht durch Filmtechnik ausgelöst, sondern womöglich durch chemische Substanzen, in jedem Fall aber wird sie genossen. Disengaged wird wie ein kleiner Horrorfilm mit Passagen der Entspannung, Schockmomenten, Gänsehaut-Effekten und einer Atmosphäre, die man nicht eine Sekunde lang in seiner eigenen, echten Welt haben möchte. Mit You’re So Vain gibt es zum Ende des Albums natürlich auch wieder eine Coverversion, auf die man nie gekommen wäre, die aber glänzend funktioniert (übrigens mit Johnny Depp an Gitarre und Schlagzeug).

Dem stehen ein paar Elemente gegenüber, die durchaus überraschende Vergleiche auslösen. Der Beat in The Flowers Of Evil ist unbarmherzig, der verzerrte Bass fast brutal – der Refrain hat aber fast erhebenden Charakter und wäre, womöglich gar mit demselben Text, auch von den Killers vorstellbar. Lay Down Your Goddamn Arms ist einigermaßen nahe an konventionellem Rock mit etwas schwermütiger Komponente, so könnte man sich etwa eine Doom-Version von Soundgarden vorstellen. Das stark elektronisch geprägte Children Of Cain setzt auf eine Methode, die man durchaus aus dem Pop kennt, nämlich: Alles wird maximal plakativ.

Als vielleicht härtester Song erweist sich Murderers Are Getting Prettier Every Day. Die einzig zutreffende Genrebezeichnung dafür ist: Metal, denn Aggressivität, Tempo, Verzerrung und Provokation – all das sind hier Werte für sich. Der komplexe Titelsong ist eine gute Zusammenfassung für Born Villain: Natürlich geht es nicht subtil zu, aber durchaus mit Blick für entscheidende Details. Es gibt viele Klangzutaten, die man von Marilyn Manson schon kennt, aber sie sind mit hörbarer Ambition zusammengesetzt.

Die Grufti-Disco von No Reflection hat einen Wasserschaden.

Website von Marilyn Manson.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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