Marlon Hammer Live vom Teppich EP

Marlon Hammer – „Live vom Teppich“

Künstler*in Marlon Hammer

Marlon Hammer Live vom Teppich Review Kritik
Nur Gitarre, Klavier und Gesang gibt es auf „Live vom Teppich“.
EP Live vom Teppich
Label Energie
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

Szenarien heißt das letzte Stück auf dieser EP. Nimmt man die Musik als Grundlage, die hier in einer knappen Viertelstunde zu hören ist, fallen einem für die Zukunft von Marlon Hammer schnell ein paar sehr plausible solcher Zukunftsentwürfe ein. Große Hallen spielen darin ebenso eine Rolle wie Radio-Airplay, denn der 18-Jährige aus Bochum bringt auf Live vom Teppich viel davon mit, was es für solchen Erfolg braucht.

Da ist zum einen das für einen Newcomer mehr als beachtliche Netzwerk. Schon als 14-jähriger Straßenmusiker wurde er entdeckt, mittlerweile wird er vom selben Management betreut, das auch Christian Neander (ehemals Selig) oder Olaf Opal unter Vertrag hat, einen der bekanntesten deutschen Indie-Produzenten, der beispielsweise Chart-Erfolge von Madsen und Juli betreut hat. Seine im Oktober 2022 veröffentlichten Debüt-EP Bochum 2 (in Anspielung auf Herbert Grönemeyers legendäre Platte aus dem Jahr 1984) wurde von Moses Schneider produziert, einer weiteren Branchengröße, zu deren Referenzen etwa Tocotronic und die Beatsteaks gehören. Zuletzt war Marlon Hammer mit den Sportfreunden Stiller auf Tour, zum Ende des Jahres 2022 stellte er auf Instagram fest: „Viele geile Konzerte durfte ich dieses Jahr spielen, und ich freue mich schon auf die nächsten.“

Zum anderen ist hier eine unverkennbare Leidenschaft für die Musik spürbar, zu der bei ihm auch die Lust darauf gehört, im Rampenlicht zu stehen. Den vier Liedern auf Live vom Teppich (nur eins davon war schon auf seiner ersten EP enthalten) hört man in ein paar Momenten eine Mischung aus Unbekümmertheit und Traum vom großen Popstar-Leben an, die an Echt denken lässt – mit dem Unterschied, dass Marlon Hammer seine eigenen Songs schreibt.

Er zeigt hier, dass er Lust auf die große Geste (als eines seiner großen Vorbilder benennt er Billy Joel) und aus der Zeit als Straßenmusiker wohl auch das Händchen für Massentauglichkeit mitgenommen hat. Der 18-Jährige demonstriert dabei auch ein erstaunliches Selbstvertrauen: Es gehört etwas dazu, sich nur mit Klavier beziehunsgweise nur mit Gitarre in ein Studio zu setzen und die eigenen Lieder dann mit so viel Entschlossenheit zu performen. Schon die vier Songs seiner ersten EP hat er größtenteils live im Studio eingespielt, hier setzt er dieses Prinzip konsequent fort. Da hat jemand eindeutig die Überzeugung: Ich habe eine Stimme, die von der Welt gehört werden muss. Und ich habe etwas zu sagen.

Im schon erwähnten Szenarien, das die EP abschließt, tut er das am Klavier, in der Strophe wird seine Stimme etwas rauer, es geht um Reue und verpasste Chancen, um das, was hätte sein können oder vielleicht noch kommt, allerdings immer wieder mündend in der Einschätzung: „Ganz so realistisch ist das nicht.“ So schön wie hier, das zweite Klavierstück, unterstreicht sein lyrisches Talent, diesmal sehnt er sich trotz seiner Jugend nach noch früheren Jahren zurück, ohne dass es naiv oder selbstmitleidig wirkt.

Hinter den Mauern, das schon auf Bochum 2 zu finden war, interpretiert er hier nur mit Gesang und Gitarre, was seinen sehr fantasievollen Text mehr in den Vordergrund rücken lässt, der weit von der plumpen Offenkundigkeit vieler anderer Acts im deutschen Pop entfernt ist. Marlon Hammer zählt sich selbst, anknüpfend an seine wichtigsten musikalischen Einflüsse, schließlich zu einer „neuen Generation von einem, der nachdenkt über seine Texte“ und lässt hier im Gestus der Performance auch erkennen, dass dazu auch ein gewisser Kurt Cobain gehört.

Das beste Lied auf Live vom Teppich ist der Auftakt So wie ihn. Es geht darin um Eifersucht, um die aufreibende Mischung aus Großherzigkeit und Gekränktheit, aus Hingabe und Egozentrik, die in der Liebe stecken kann. Zeilen wie „Ich will, dass du alles bekommst, was du willst / nur nicht bei ihm“ wird dabei jeder Mensch nachfühlen können, erst recht, wenn sie mit so viel Leidenschaft gesunden werden. Als am Ende des Songs dann ein „Ohoho“-Teil erklingt, kann man fast schon hören, wie da demnächst vielleicht Tausende einstimmen werden.

Zu allen vier Songs (wie hier Szenarien) gibt es auch ein Akustik-Session-Video.

Marlon Hammer bei Instagram.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.