„Das ist das Lied, das mich noch einmal hierher gebracht hat“, sagt Marlon Roudette, als er New Age ankündigt. Der Londoner steht auf der Bühne in Leipzig, wo er schon Ende 2011 (damals noch im Vorprogramm von Milow) ein Konzert gespielt hatte. Und er weiß, dass er nach wie vor auf einer sagenhaften Erfolgswelle reitet, die genau jener Song ausgelöst hat: New Age wurde von Matthias Schweighöfer geliebt (er machte den Song zum offiziellen Lied seines Regiedebüts What A Man) und von den deutschen Radiomachern ins Herz geschlossen (zu seiner besten Zeit war New Age rund 2000 Mal pro Woche im Äther zu hören). Auch die deutschen Plattenkäufer konnten nicht genug davon bekommen: 300.000 Mal hat sich die Debütsingle von Marlon Roudette inzwischen verkauft, acht Wochen lang stand sie ununterbrochen an der Spitze der Charts.
Es ist durchaus angenehm zu beobachten, wie dankbar Marlon Roudette für diesen Erfolg ist. Denn man hätte sich den 30-Jährigen auch als Schnösel nach dem Schema Ochsenknecht vorstellen können: Marlon Roudette ist schließlich der Sohn von Cameron McVey, der als Produzent unter anderem die gefeierten Debütalben von Massive Attack, All Saints oder den Sugababes betreut hat, dessen eigene Versuche als Popstar bis dahin allerdings nur eine einzige Single im Jahr 1986 hervorgebracht hatten – und da war Cameron McVey auch schon im stolzen Popstar-Alter von 32. Dass der Sohn jetzt den Traum verwirklichen soll, den der Vater für sich nicht wahrmachen konnte – das ist ja durchaus gängige Praxis, nicht nur im Popgeschäft.
Noch einen Vorbehalt könnte man gegen diesen Künstler haben: Marlon Roudette hat womöglich gar kein Talent, sondern bloß gute Beziehungen ins Musikgeschäft. Seine Stiefmutter ist Neneh Cherry, schon für sein erstes Soloalbum arbeitete er mit Top-Produzenten und Songschreibern wie Brian West (Nelly Furtado), Guy Chambers (Robbie Williams) oder Paul O’Duffy (Amy Winehouse) zusammen.
Doch solche Zweifel werden im Konzert im Werk 2 in Leipzig schnell zerstreut. Roudette hat eindeutig Charisma und Star Appeal – auch dann noch, als er nach zwei Songs sein Gangs Of New York-Outfit mit Hut und Sakko abgelegt hat. Er hat eine tolle Stimme und hält die Fans mit charmanten Ansagen auf Deutsch bei Laune, in denen er von seiner Jugend auf der Karibik-Insel St. Vincent erzählt oder vom Tod seiner Großmutter. Und er zeigt sich durchaus mutig.
New Age, den Über-Hit wegen dem sicherlich die allermeisten der Zuschauer ins ausverkaufte Werk 2 nach Leipzig gekommen sind, spielt er schon als viertes Lied. Er gönnt sich ausgiebige (und sehr gelungene) Passagen als Solist an den Steel Drums und wagt sich auch an eine Coverversion des Jimmy-Cliff-Klassikers The Harder They Come. Zum ersten Mal überhaupt spielt er als Solokünstler das Lied Living Darfur, das er 2007 mit seiner früheren Band Mattafix veröffentlicht hatte.
Auch einige andere Mattafix-Songs (wie der Nummer-1-Hit Big City Life als erste Zugabe) erklingen an diesem Abend in Leipzig. Und das, obwohl das Ende der Band im Jahr 2010 und der darauf folgende Ärger mit der Plattenfirma für ihn nicht eben einfach waren, wie Marlon Roudette im Video-Interview mit der LVZ erzählt.
Auch dieser unverkrampfte Umgang mit dem Material der Ex-Band passt zu seinem Stil: locker, spontan und sympathisch. Da steht keiner auf der Bühne, der bloß den Traum seines Vaters lebt oder sich eben mal als Musiker versucht, weil ihm das bei seiner Herkunft normal erscheint oder ihm nichts Besseres einfällt. Im Konzert wird ganz deutlich: Marlon Roudette liebt, was er tut.
Besonders die erste Hälfte der Show gefällt, in der sich Marlon Roudette seiner Vorliebe zum Reggae hingibt, viel Tanzbares zu bieten hat, auch ein bisschen Dubstep anklingen lässt und damit durchaus Individualität und Kreativität beweist. Gegen Ende hin sinkt die Spannungskurve allerdings, dann wird deutlich, dass sein Repertoire eben auch belanglose Popsongs zu bieten hat, die man von jedem beliebigen Castingshow-Sternchen auch so oder so ähnlich bekommen könnte. Vor allem der kitschige Keyboard-Streicher-Sound, der fast in jedem Lied seinen Auftritt hat, nervt mit zunehmender Dauer des Konzerts im Werk 2.
Erst, als nach genau einer Stunde Anti-Hero erklingt, die zweite Erfolgs-Single von Marlon Roudette, geht es wieder bergauf. Ganz am Schluss gibt es dann noch einmal New Age: Nur mit seiner Gitarre spielt der 30-Jährige das Lied mitten im Getümmel der Zuschauer und albert dabei reichlich mit seinen Fans herum. Für die, die ganz nah dran sind, wird es ein unvergesslicher Abschluss eines sehr gelungenen Konzerts.
Marlon Roudette hat seinen Frieden gemacht mit Mattafix und spielt live in Leipzig auch Big City Life:
httpv://www.youtube.com/watch?v=aHIMs6DEOls
Marlon Roudette spielt noch zwei weitere Shows in Deutschland:
23. April: Frankfurt, St. Peter
24. April: München, Backstage Halle
Eine leicht gekürzte Version dieses Konzertberichts gibt es auch auf news.de.
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