Künstler | Massive Attack | |
Album | Blue Lines | |
Label | EMI | |
Erscheinungsjahr | 1991 | |
Bewertung |
1991 war wahrlich kein schlechtes Jahr für famose Alben, die zu Klassikern geworden sind. Nevermind. Screamadelica. Achtung Baby. Und, ähm. Joyride.
Aber es gab unter all den großartigen Platten sicher nur eine, die so neu, modern und anders klang wie Blue Lines, das Debütalbum von Massive Attack. Robert „3D“ Del Naja, Grantley „Daddy G“ Marshall und Andrew „Mushroom“ Vowles erschufen mit ihren Mitstreitern einen einzigartigen Sound. Sie setzten auf Samples, einen wilden Mix der Genres, Texte voller Zitate und Pop-Anspielungen und ein durchweg gedrosseltes Tempo. Den Begriff, der diese Musik umschreibt, nämlich TripHop, erfand man erst drei Jahre nachdem (!) die Platte rauskam.
Wie groß der Einfluss von Massive Attack ist, erkennt man am besten, wenn man schaut, wie breit die Nachahmer gestreut sind – zeitlich wie räumlich. Selbst die Fantastischen Vier versuchten sich ein paar Jahre nach dem Durchbruch von Massive Attack an diesem Sound, kürzlich zeigten The XX, wie großartig sich eine Modernisierung von Blue Lines anhört. Die Leser von Q wählten das Album auf Platz 9 unter die 100 besten britischen Platten aller Zeiten, der Rolling Stone reservierte immerhin Platz 395 in seiner Liste der 500 besten Alben in der Geschichte der Menschheit.
Gerade ist Blue Lines als 2012 Remix/Remaster erschienen. Massive Attack haben dafür die Originalbänder in ihrem eigenen Studio in Bristol neu abgemischt und remastered. Neben einer CD im wunderhübschen Pappschuber gibt es die Neuauflage auch als Deluxe-Box mit CD, DVD sowie zwei 180-Gramm-Vinylscheiben und einem Poster.
Das 20. Jubiläum haben Massive Attack damit zwar haarscharf verpasst (irgendwie typisch bei so viel bekiffter Entspanntheit), trotzdem ist die Neuauflage ein guter Anlass, Blue Lines neu zu entdecken oder erneut zu preisen. Ein Schmelztiegel ist nicht nur das Album an sich, sondern auch jeder einzelne Song. Der Titeltrack setzt den Rap von Tricky über einen jazzigen Hintergrund, Be Thankful For What You Got scheint Marvin Gaye das Scratching beizubringen. Abstrakte Gitarren treffen in Safe From Harm auf einen beunruhigend pulsierenden Bass, Lately setzt auf einen fast unbarmherzig monotonen Rhythmus, bekommt dank des Gesangs von Shara Nelson aber trotzdem unfassbar viel Seele.
Die Dub-Sounds von Five Man Army klingen gefährlich, One Love wird eine ganz neue Form von Soul, am Ende ist Hymn Of The Big Wheel mit seinem Prototyp-Breakbeat ebenso rund wie detailverliebt. Daydreamimg ist urban und aktuell, aber gleichzeitig nicht von dieser Welt. Und dann ist da ja noch Unfinished Sympathy, ein Meisterwerk, das auch nach 20 Jahren noch futuristisch klingt. Man merkt diesem Track genau an, dass seine ganze Entstehungsgeschichte sich im Tonstudio abgespielt hat, und doch ist es ein Lied, das all den Schmerz dieser Welt kennt.
Letztlich sind es diese Musikalität, Stilsicherheit und Wärme, die Blue Lines so herausragend machen. Die Lieder klingen hier nicht, als seien sie aus Samples gemacht. Sondern die Samples klingen, als seien sie für diese Lieder gemacht.
Massive Attack spielen Unfinished Sympathy beim Melt 2010:
httpv://www.youtube.com/watch?v=CSWjIwM7qZw
3 Gedanken zu “Massive Attack – „Blue Lines“”