Künstler | Matt Sweeney und Bonnie „Prince“ Billy | |
Album | Superwolves | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Fangen wir mit den Fakten an. Matt Sweeney, Jahrgang 1969, ist einer der profiliertesten Gitarristen der amerikanischen Alternative-Welt, unter anderem als Mitglied von Chavez, Skunk und Zwan. Auf dieser Platte spielt er ebenfalls Gitarre, steuert außerdem die zweite Stimme und den Bass bei.
Hinter Bonnie „Prince“ Billy verbirgt sich Will Oldham, Jahrgang 1970, der auch als Palace Music, unter seinem eigenen Namen und weiteren Alias schaurig-schöne Lieder zwischen Folk und Country macht. Von ihm stammen Texte und Gesang dieses Albums, das übermorgen digital und am 18. Juni physisch erscheinen wird.
Zusammen haben sie schon 2005 das Album Superwolf gemacht, diese Kooperation wird nun mit Superwolves fortgeführt. Die ersten Ideen der 14 hier versammelten Songs reichen noch fast bis in die Zeit der ersten gemeinsamen Platte zurück, vor einem Jahr nahm die Produktion in Studios in Brooklyn und Nashville dann konkretere Formen an. Als Verstärkung sind bei einigen Songs David Ferguson (Kontrabass), Mike Coltun (E-Bass), Ryan Sawyer (Schlagzeug), Peter Townsend (Schlagzeug) und Mike Rojas (Keyboards) dabei.
Falls irgendjemand diese nüchterne Zusammenfassung der Eckdaten unspektakulär findet, dann hat er wohl noch nie Songs von Matt Sweeney oder Bonnie „Prince“ Billy gehört – und schon gar nicht ihr Zusammenspiel. Gleich die Single Make Worry For Me als Auftakt zeigt, dass auf Superwolves eher Gänsehaut angesagt ist als Langeweile: Der Song wirkt wie etwas, das im Sumpf oder Nebel lauert, diese Bedrohlichkeit schwillt dann immer weiter an und bricht schließlich in einem wilden Gitarrensolo aus. „I got things in my pockets / I got tricks up my sleeve / your world will never be the same“, singt Oldham, und das klingt natürlich aus seinem Munde und in so einer Atmosphäre keineswegs verheißungsvoll.
Not Fooling schließt die Platte in einer ähnlichen Stimmung ab, God Is Waiting ist wie viele Beiträge des Albums im Kern ein Folksong mit E-Gitarre und beweist als einer von etlichen Momenten, dass hier zwei Künstler am Werk sind, die sowohl filigran als auch doppelbödig sein können. You Can Regret What You Have Done zeigt eine Mischung aus Gelassenheit und Erfahrung, die man vielleicht „Weisheit“ nennen darf.
Die ersten Ideen für die Superwolves-Songs sind eigenständig entstanden, wurden dann dem Gegenüber präsentiert und gemeinsam weiterentwickelt. „Die Chemie zwischen uns entspringt den Leben, die wir zwar getrennt voneinander führen, in denen aber für uns beide die Musik eine unverzichtbare Nahrungsquelle ist. Wir hören sie mit Dankbarkeit und Ehrfurcht – wissend, dass wir in sie hineingehören. Wir entwerfen Fantasie-Versionen von uns und vertrauen darauf, dass wir diese fiktiven Figuren dann zum Leben erwecken können“, beschreibt Will Oldham die Zusammenarbeit. „Wir wissen, was wir können, und brauchen nur die gegenseitige Unterstützung, um aus diesen imaginären Welten eine Realität zu machen.“
Er zeigt sich in Good To My Girls besonders zärtlich und besingt das Wissen um die Fehlbarkeit, auch als Vater. Diese Rolle klingt auch im behutsam schwebenden, zauberhaften My Popsicle an. In Shorty’s Ark, das fast wie ein Kinderlied wirkt, kann man ebenfalls eine ähnliche Perspektive erkennen. Zu den Spezies, die er auf seiner persönlichen Arche retten will, gehören natürlich auch die, die von anderen als Ungeziefer betrachet werden, wie Spinnen und Ratten, sogar Stinktiere. My Blue Suit erweist sich als originelle Liebeserklärung, My Body Is My Own könnte ein Spätwerk von Donovan sein.
„Ich liebe die Herausforderung, Melodien zu schreiben, die Will dann singen kann. Ich kämpfe manchmal damit und nutze ein besonders breites Spektrum, weil ich weiß, dass seine Stimme sie auf eine andere Ebene heben wird. Der Gesang und die Gitarre sollen bestmöglich zusammenpassen, so wie ein Kelch, der den Wein enthält (oder Blut, oder was immer man für sein Leben braucht). Ich liebe es auch, mit ihm Harmonien zu singen“, sagt Matt Sweeney.
Man hört das perfekt in Watch What Happens, das ein wenig Sixties-Feeling verbreitet, durch die Instrumentierung ebenso wie die Melodieführung. Man könnte das für eine leicht bedrückte Variante von Simon & Garfunkel halten, dazu passt auch der Aufruf zu Achtsamkeit, vielleicht sogar Zivilcourage, den man im Text finden kann. There Must Be A Someone klingt untröstlich, und das ist weiterhin eine Stimmung, die diesen beiden Männern ausgezeichnet steht. Das bewusst altertümliche I Am A Youth Inclined To Ramble müsste eigentlich „Ich bin ein mittelalter Mann, der an höfischer Kultur (und der Treue der Liebsten, die ich zuhause zurücklassen muss) interessiert ist“ heißen.
Hall Of Death haben Matt Sweeney und Bonnie „Prince“ Billy mit Gitarrist und Produzent Ahmoudou Madassane geschrieben und auch live im Studio mit dessen Band (Mdou Moctar und Souleyman Ibrahim) aufgenommen. Das Ergebnis ist eine sehr gelungene Symbiose der jeweiligen Charakteristika, energisch, lebendig und wie gemacht für alle, die beispielsweise den Sound von Tinariwen lieben. Ein weiteres Highlight und ebenfalls ein vergleichsweise schwungvoller Moment auf Superwolves ist Resist The Urge, woran der Kontrabass den größten Anteil hat, aber auch das beschwingte Picking. Die Originalität dieses Duos findet sich auch hier in der Musik genau wie im Text: Es geht um Vergänglichkeit und die Erwartung des eigenen Todes, aber eben auch um den Hinweis an die Hinterbliebenen, dass man mit ihnen weiterhin verbunden sein wird.