Künstler*in | Maximilian Hecker | |
Album | Neverheart | |
Label | Blue Soldier Records | |
Erscheinungsjahr | 2024 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Blue Soldier Records / Julija Goyd |
Die USA greifen Ziele im Jemen an, weil die dortigen Huthi immer wieder Frachtschiffe attackieren, um die Hamas im Kampf gegen Israel zu unterstützen. Eine neue Studie bestätigt die kritische Lage an deutschen Krankenhäusern. Iran schießt Raketen auf Pakistan. Der Staatsschutz ermittelt gegen AfD-Mitglieder, die nach einem Parteitag fremdenfeindliche Lieder gesungen haben sollen. Behörden in Baden-Württemberg dürfen nach einer neuen Verwaltungsvorschrift nicht mehr gendern.
Das sind fünf Nachrichten vom 16. Januar 2024, dem Tag, an dem das zehnte Album von Maximilian Hecker erschienen ist. Hört man Neverheart, kann man keine dieser Schlagzeilen glauben. Der 1977 geborene Künstler singt auch diesmal wieder, als müsse er gleich dahinschmelzen, weil er all die Schönheit dieser Erde nicht fassen kann. Er hat wieder Lieder geschrieben, in denen es kein größeres Übel auf der Welt gibt als ein gebrochenes Herz – in denen dieses gebrochene Herz aber ein unermesslich großer Schmerz ist. Fall In Love, Fall Apart – das fühlt sich für die Betroffenen eben wie ein schrecklich aufwühlendes Drama an, und genauso klingt es hier im gleichnamigen Song dann auch.
Erneut hat Maximilian Hecker mit Produzent Johannes Feige zusammengearbeitet, wie auf den beiden Vorgängeralben, erneut veröffentlicht er die Platte auf seinem eigenen Label. Auch diese Konstanten sorgen wohl dafür, dass die Fans auf Neverheart genau das bekommen, was sie erwarten dürfen. Wenn der in Berlin lebende Musiker im Opener Two-Toned Love (Part I) von einem „boy with a foolish heart“ singt, dann ist damit wohl er selbst gemeint. Auch die hoch romantische Zeile „you’re leading your life like a falling star“ in Falling Star passt wunderbar zu seiner vertrauten Ästhetik.
Aufregend ist all das nicht, weder für seine zahlreichen Anhänger*innen in Asien noch für Menschen, die zum ersten Mal mit der Musik von Maximilian Hecker in Kontakt kommen. Dass es bei dem stets beschaulichen Ansatz aber nie langweilig wird, liegt einerseits an spektakulär schönen Melodien wie in Suspended Heart, andererseits an vielen geschickten und geschmackvollen Details in den Arrangements. Mal kann man eine fast versteckte Gitarre und dezente Trommelschläge erkennen, mal sorgen Bass und Orgel für wichtige Klangtupfer, manchmal entfaltet sich eine beinahe wellenförmige Dramaturgie in diesen Liedern, in Two-Toned Love (Part II) hört man sogar, wie er atmet und die Pedale des Klaviers bedient, bevor sich eine der opulentesten Passagen des Albums entwickelt.
Hecker kann längst nicht nur Nabelschau, das beweisen seine Aktivitäten jenseits der Musik, so hat er auch Filme gedreht, längst schon seine Autobiographie geschrieben und im Oktober seinen Debütroman Lottewelt vorgelegt. Dass der Lauf der Welt in seinen Liedern schon seit dem 2001 veröffentlichten Debütalbum Infinite Love Songs trotzdem praktisch keine Rolle spielt, erweist sich mittlerweile als Stärke und sogar als Markenzeichen. So sehr er politische Konflikte, globale Krisen und gesellschaftliche Spannungen in seinen Texten ignoriert, so konsequent und scharf ist sein Blick auch auf Neverheart (der Titel ist eine Anspielung sowohl auf die Heimat von Peter Pan als auch auf Wilhelm Hauffs Märchen Das kalte Herz) nach innen gerichtet.
Ein Lied wie Long-Lost Crazy Love seziert die Lust nicht nur auf Liebe und Verliebtsein, sondern auch auf alles, was dazu gehört, die Sehnsucht, die Erinnerung, den Schmerz, den Liebeskummer, manchmal auch bloß die Einbildung großer Gefühle. Das könnte Kitsch sein, wenn es nicht so innig wäre. Auch Trying Hard To Never Understand wird nichts weniger als ergreifend. Im Titelsong kann man sich bei der Zeile „I’m reaching out to you“ bloß wundern, dass er diese Worte tatsächlich noch nie zuvor gesungen hat, repräsentieren sie doch den Kern seiner Musik. Auch Neverheart (das Lied und das Album) zeigt letztlich: Man kann sich kein Zeitalter und keine Region der Welt vorstellen, in denen Menschen solche Klänge nicht wunderschön finden würden.