Me & Reas – „Past Perfect“

Künstler Me & Reas

Me & Reas Past Perfect Kritik Rezension
Nach zwei EPs haben Me & Reas jetzt ihr erstes Album veröffentlicht.
Album Past Perfect
Label RedcordJet
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Fangen wir mit den Stärken an. Andreas Schäfer, Sänger von Me & Reas (get it? Me AndReas!), hat eine dieser Stimmen, die wie gemacht sind für Pop-Punk. In der Vorab-Single More Than Just Breathing, zugleich Opener von Past Perfect, passen auch die Songstruktur, Melodie und nicht zuletzt die Attitüde eines Träumers, der sich lieber zu den wirklich wichtigen Dingen im Leben treiben lässt statt sich von Konventionen seine Ziele vorschreiben zu lassen, zu diesem Genre – ebenso die Aussage „Creativity is overrated“, die man hier im Text finden kann. „Das Lied zeigt, wie ich als 19-Jähriger getickt habe“, sagt Andreas Jäger. „Der Song spannt den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft, läutet eine neue Zeit ein, indem er zurück zu den Wurzeln kehrt.“

Das Quintett aus Nürnberg kann auch mit handwerklichen Stärken überzeugen, mit denen es sich irgendwo zwischen Wheatus und den Strumbellas einordnet. In Stereo zeigt das, mit akustischer Gitarre, ein bisschen Klavier, Mumford-Dramaturgie und der Geschichte einer feuchtfröhlichen Freundschaft. See Me bietet einen elektronischen Drumbeat und ein dezentes Arrangement; auch das könnte man sich mit ordentlich Karacho etwa von Blink 182 oder besser noch von Weezer vorstellen, inklusive der flehenden Aussage „Don’t want to see the world / … / I want the world to see me.“ Der sanfte Album-Abschluss Forever In This Bed ist ebenfalls gelungen: Die Band besingt darin den Kokon unter der Daunendecke, der sich noch wohliger anfühlt, wenn man zu zweit darin ist – oder der verlockenden Vorstellung erliegen kann, ihn nie mehr verlassen zu müssen.

Das Problem von Past Perfect ist: Es gibt zu viel Anbiederung und zu wenig Mut. Ob die Nürnberger, die nach einem einigermaßen steinigen Weg hin zu diesem Album nun eher auf die Rockfestivals oder aufs Mainstreamradio schielen, scheint ihnen selbst nicht klar zu sein. Insgesamt gibt es einen fast penetrant (und manchmal aufgesetzt) wirkenden Optimismus, auch ein paar Germanismen schleichen sich ein, in der Attitüde und den Texten, sodass man mehrfach an Fury In The Slaughterhouse denken muss.

So wird die erste Strophe von Bring Me Home sehr schön, erweist sich aber als Versprechen, das der Rest des Songs und insbesondere der arg lahme und zahme Refrain nicht einlösen kann. Der Rhythmus der Single Boy In A Box, das eine Kiste mit guten, schlechten und schrägen Erinnerungen als Sinnbild für ein biographisches Großreinemachen wählt, gibt sich sehr entschlossen, auch das Tempo ist keineswegs gemächlich, trotzdem klingt das Lied allenfalls, als wollten die notorischen Softies von Keane mal richtig losrocken. All My Tomorrows will tiefgründig sein, wird aber blasiert und selbstmitleidig.

In Masterpiece steckt eindeutig ein Emo drin, der raus will; der Song könnte allerdings problemlos zwei Minuten kürzer sein, ohne an Qualität einzubüßen. Die wilde Zeit, von der Andreas Jäger in 200 Times singt, wirkt ebenso unglaubwürdig wie sein Bekenntnis zur Unvernunft, zum Impulsiven, das darin stecken soll – vielmehr klingt er hier wie jemand, der so etwas Bodenständiges wie studierter Wirschaftsingenieur ist, was auf ihn auch tatsächlich zutrifft.

Der Refrain von Go Back (Chapter 5) platzt herein wie ein sehr aufdringlicher und taktloser Gast in einen bis dahin sehr stimmungsvollen und angenehmen Abend. I Miss These Times bekommt durch die Strophe im 2/4-Takt und das simple Klavier beinahe Novelty-Charakter, umso hymnischer will der Refrain sein, was insgesamt ziemlich plump klingt. Cloud 99 beschreibt so etwas wie den ultimativen Gute-Laune-Himmel – man will nicht wissen, wie verdammt öde in der Welt von Me & Reas dann eine Party auf Wolke #42 oder gar Wolke #8 aussieht. Denn die simulierte Ausgelassenheit dieses Lieds dürfte höchstens reichen, um bei einer Hochzeit die Brautmutter dazu zu bringen, sich auf der Tanzfläche ein wenig daneben zu benehmen

„Wir sind eine Band, die sich ihre Geschichte selbst geschrieben hat“, sagen Me & Reas, die neben Jäger aus Manuel Weimann, Nils Kohl, Benjamin Baumann und Sören Breitkreutz bestehen. Die meisten davon sind alte Kumpels, mit denen er schon gespielt hat, bevor es mit Yalta Club oder den Mighty Oaks auf Tour ging. „Das waren teils harte Lehrjahre, in denen wir uns gewissermaßen rangespielt haben. Aber wir haben es gemacht, einfach nur, weil es so geil war, dass wir überhaupt spielen durften“, sagt er im Rückblick. Auch dieses Bekenntnis zu überbetonter Authentizität und Rechtschaffenheit ist ein Problem dieses Albums. Kurz gesagt: viel Past, wenig Perfect.

Hurra, wir haben zwar keine Idee dafür, aber wir machen ein Video! So sieht der Clip von More Than Just Breathing aus.

Im Frühjahr sind Me & Reas fleißig auf Tour.

22.03.18 Milla – Live Club // München
23.03.18 die wohngemeinschaft // Köln
24.03.18 Jugendzentrum Zeughaus Passau // Passau
27.03.18 Kulturclub Schon Schön/ Mainz
28.03.18 Häkken // Hamburg
29.03.18 Badehaus Berlin // Berlin
04.04.18 Cayman-Bar Gunzenhausen // Gunzenhausen
05.04.18 Die Kellerperle // Würzburg
12.04.18 Glashaus Bayreuth // Bayreuth
13.04.18 Immeldorf – Weißes Roß // Immeldorf
14.04.18 MUZclub // Nürnberg

Website von Me & Reas.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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