Mehr 5er geht nicht

Optisch hat der 5er GT eine natürliche Autorität. Harmonisch ist das Design aber nicht. Foto: BMW
Optisch hat der 5er GT eine natürliche Autorität. Harmonisch ist das Design aber nicht. Foto: BMW

GT kann alles Mögliche bedeuten. Zwei regionale Zeitungen (die Tageblätter aus Gelnhausen und Göttingen) nennen sich selbst so, wenn sie es eilig haben. Wer aus dem Landkreis Gütersloh kommt, hat «GT» auf dem Kennzeichen stehen. Und die Gesellschaft für Toxikologie hat «GT» naheliegenderweise als Abkürzung gewählt.

Wofür GT aber wirklich steht, kann man in diesem Auto perfekt und im Wortsinn erfahren: Der BMW 5er GT treibt schon mit der Einstiegsmotorisierung das Prinzip Gran Turismo auf die Spitze. Das bedeutet in diesem Fall: genau fünf Meter Länge, 306 PS, 55.700 Euro Startpreis. Und Gran Turismo bedeutet somit: Dynamik und Sportlichkeit, die trotzdem komfortables Langstreckenreisen erlaubt und hier zudem mit ordentlicher Vielseitigkeit kombiniert wird.

Ersteres überrascht am meisten. Der 535i GT fährt sich wie ein deutlich kleineres Auto. Der Sechszylinder-Motor hat niemals Mühe mit den zwei Tonnen Gesamtgewicht und sorgt auch ohne Kickdown für einen betörenden (für Entspannungsfanatiker wohl aber gelegentlich einen Tick zu lauten) Sound. Die serienmäßige Achtgangautomatik ermöglicht entspanntes Gleiten ebenso wie zügige Sprints und gefällt vor allem, weil sie auch beim Anfahren kaum eine Denkpause braucht. Dank einer direkt ansprechenden Lenkung, Wankausgleich und adaptiven Dämpfern ist auch das Handling so agil, dass man nie das Gefühl hat, hier in Gediegenheit gefangen zu sein oder tatsächlich ein 5-Meter-Schiff zu steuern.

Die Größe wird allerdings im Innenraum sehr deutlich. Der Fahrer hat alles im Griff. Auch der vergleichsweise große Abstand zum Beifahrer, der zudem durch die sehr breite Mittelkonsole auf Distanz gehalten wird, macht hier sofort klar, wer der Kapitän an Bord ist. Es gibt genügend Ablagefächer in Reichweite, die Instrumente sind perfekt arrangiert (obwohl auch der gegen Aufpreis von 1940 Euro im Profi-Navigations-Paket erhältliche 10-Zoll-Monitor das iDrive nur wenig erträglicher macht), wobei sich vor allem das Head-Up-Display (1390 Euro Aufpreis) schnell hervortut, das die wichtigsten Informationen zur Fahrt direkt ins Blickfeld des Piloten in die Windschutzscheibe projiziert.

Auch sonst ist der Wagen förmlich vollgestopft mit Helferlein. Die üppige Aufpreisliste hat an die 50 Positionen. Wählt man alle Extras, kommen zum Listenpreis zwar noch einmal gut 20.000 Euro dazu. Doch dann kann man im GT sicher sein: Mehr 5er geht wirklich nicht.

Neben dem Ambiente und der Ausstattung ist auch der Radstand mit 3,07 Metern auf 7er-Niveau. Vor allem im Fond haben die Passagiere ein fürstliches Platzangebot. Besonders lobenswert: Obwohl das Dach hinten stark abfällt, gibt es auch genug Kopffreiheit.

Womit wir beim Design sind. BMW verkauft das Auto als einzigartige Innovation und behauptet, mit dem 5er GT quasi ein neues Segment geschaffen zu haben. Doch in Wirklichkeit ist er schlicht eine Kreuzung. Eine Limousine mit der Linienführung eines Coupés, dem Platzangebot eines Kombis und einer Karosseriehöhe, die nicht allzu weit vom SUV entfernt ist. Das ist insgesamt durchaus mutig. Der 5er GT hat in jedem Fall die optische Autorität, die man in dieser Preisklasse verlangen darf. Er ist aber dazu auch noch mutig designt und beinahe extrovertiert – fraglich, ob die Kunden diese Eigenschaften schätzen. Zumal in der Gesamtanmutung die Harmonie zwischen wuchtiger Front und der leichten Linienführung im Heck fehlt.

Das hat keineswegs nur ästhetische Folgen, sondern führt auch zu ganz praktischen Mängeln. An erster Stelle ist dabei die Sicht nach hinten zu nennen. Durch das steil abfallende Dach kann man vor allem zur Seite quasi nichts erkennen, auch die Sicht gerade nach hinten ist sehr beschränkt. Eine Einparkhilfe ist zwar serienmäßig, doch ohne die Rückfahrkamera (760 Euro Aufpreis und beinahe ein Pflicht-Accessoire) lässt sich der 5er GT quasi nicht einparken.

Auch in punkto Vielseitigkeit gibt es deutliche Punktabzüge: Der Kofferraum ist kleiner als bei der 5er-Limousine; selbst wenn man von allen Möglichkeiten der Stauraumerweiterung Gebrauch macht und das Ladevolumen damit auf 1700 Liter erhöht, ist die Ladefläche noch deutlich kleiner als beispielsweise im E-Klasse-Kombi von Mercedes. Die Sinnhaftigkeit einer zweigeteilten Heckklappe (eine Idee, die BMW hier von Skoda übernommen hat) erschließt sich auch nicht.

Wer einen Alleskönner will, ist hier also verkehrt. Wer Sportlichkeit sucht, braucht kein so gewaltiges Auto. Ein bisschen scheitert der 5er GT also am eigenen Konzept. Am ehesten ist er etwas für alle, für die es in jeder Hinsicht etwas mehr sein darf, denen ein 7er aber schlicht zu protzig ist.

Apropos etwas mehr: Mit einem Testverbrauch sehr deutlich über zehn Litern Super hat der 5er GT auch ordentlich Durst, was sich schnell negativ auf die Reichweite auswirkt. Denn ein Kraftstoffreservoir von 70 Liter zeigt auch, wofür GT in diesem Fall nicht steht: großer Tank.

Diesen Text gibt es auch auf news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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