Verglichen mit der heutigen EU war das Bündnis, das vor 50 Jahren auf dem Kapitol geschmiedet wurde, ein Wicht. Die Staatengemeinschaft ist mittlerweile viermal so groß und hat dreimal so viele Einwohner wie die sechs Mitglieder der einstigen EWG.
Dass die Römischen Verträge den Grundstein für ein politisches Schwergewicht legen würden, das von Lappland bis an den Libanon reicht, ahnten damals wohl allenfalls die beteiligten Regierungschefs. Doch aus der Wirtschaftsunion wurde viel mehr: Das Ende der Zölle war der Anfang der europäischen Einigung.
Für die Bundesrepublik bot dieser Prozess nach der Katastrophe der Nazi-Herrschaft die endgültige Chance zur politischen Resozialisierung. Und die Idee der Gründungsstaaten, der gegenseitige Austausch von Waren und Dienstleistungen werde am besten dafür sorgen, dass Nachbarn in Europa nie wieder gegeneinander Krieg führen und dabei den ganzen Kontinent in Schutt und Asche legen, erwies sich als Erfolgsformel.
Doch die EU ist viel mehr als ein Garant für Frieden. Sie ist heute der kaufkräftigste Markt der Welt, sie ist eine Instanz, deren Wort auch im Weltmaßstab gewaltiges Gewicht hat, und sie ist – auch wenn das mitunter nur durch die Abgrenzung nach außen deutlich wird – eine auf christlichen Traditionen, auf Toleranz und Menschenrechten basierende Wertegemeinschaft. Sie ist ein Modell, das für viele Regionen der Welt mittlerweile Vorbildcharakter hat und dessen Anziehungskraft letzten Endes sogar stärker war als der Eiserne Vorhang. Europa ist wohlhabend, demokratisch und stabil. Es hat allen Grund, sich einmal selbst zu feiern.
Einen Kater darf es sich aber nicht erlauben. Dafür sind die Herausforderungen viel zu groß, denen sich die EU stellen muss. Gerade die Dimension der Zukunftsaufgaben zeigt, wie wichtig koordiniertes Handeln ist und wie wenig die Nationalstaaten inzwischen auf eigene Faust erreichen können: Klimaschutz, Terrorbekämpfung, Globalisierung – all dies kann die EU nur gemeinsam angehen. Umso dringender muss im Ringen um eine europäische Verfassung eine Einigung erzielt werden.
Die EU-Verfassung muss nicht unbedingt so heißen, aber sie wird gebraucht: als Symbol für ein Ende der Sinnkrise, die eingetreten war, nachdem sich Franzosen und Niederländer gegen den Entwurf ausgesprochen hatten. Als Zeichen für einen neuen Aufbruch, der alle Europäer mitreißt. Und vor allem als Mittel, den Koloss Europa wieder regierbar zu machen. Nur so kann die EU weiter wachsen – nach innen wie nach außen.