Melodiesinfonie und Fiona Fiasco – „Forever Faking Memoirs“

Künstler*in Melodiesinfonie & Fiona Fiasco

Melodiesinfonie und Fiona Fiasco Forever Faking Memoirs Review Kritik
„Forever Faking Memoirs“ ist ein dreisprachiges Album.
Album Forever Faking Memoirs
Label Radicalis
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Gefällig zu sein, kann gefährlich sein. Musik, die einfach schön, angenehm und harmonisch ist, wird mitunter als harmlos und wertlos betrachtet. Es fehlen dann angeblich Fallhöhe und Edge, und es fallen Assoziationen wie Supermarkt, Fahrstuhl und Hängematte. Produzent Kevin Gabriel Wettstein alias Melodiesinfonie und Sängerin Fiona Cavegn alias Fiona Fiasco wissen um dieses Risiko. Die acht Lieder der beiden Schweizer auf Forever Faking Memoirs sind eindeutig gefällig. Aber sie haben genug Eigenständigkeit, Substanz und Überraschungsmomente, um niemals langweilig oder beliebig zu sein.

Dazu trägt bei, dass sie keine Lust auf inhaltliche Oberflächlichkeiten haben, wie gleich der Auftakt Brangelina Fanfiction zeigt. Die Single setzt auf einen sehr mondänen Sound und eine verträumte, fast verlorene Gesangsmelodie. Der Text betont allerdings die Bedeutung echter Werte und verweist auf den Unterschied zwischen Egozentrik und Selbstinszenierung, wie man sie so gerne auf Instagram findet, und der Fähigkeit, sich tatsächlich selbst zu lieben und zu akzeptieren, so wie man ist.

Ein sehr typischer Moment für die Musik des Duos ist auch das folgende Strong Ankles. Eine Wah-Wah-Gitarre und ein federnder Beat bilden das Fundament, die Stimme ist bloß gehaucht und geflüstert, sodass man beispielsweise an Underwater Love denken kann, den Hit von Smoke City aus dem Jahr 1995. Ein Pluspunkt für den Spannungsbogen auf Forever Faking Memoirs ist auch, dass Fiona Cavegn, die Wettstein im Mai 2020 während ihres Studiums in Zürich kennenlernte, nicht nur auf Englisch singt, sondern auch in ihrer Muttersprache Rätoromanisch sowie auf Französisch. In Wo Andersch ist der Gesang zwar kaum zu verstehen, dafür glänzt der Track aber mit sehr kreativen Percussions. Mit Je Suis Avec Moi zeigen Melodiesinfonie und Fiona Fiasco besonders viel Vorwärtsdrang und bauen ein paar schräge Soundeffekte ein, sodass man an Stereo Total denken kann. Das sehr reizvolle Pazienzia Clav Ei schließt die Platte mit schüchterner E-Gitarre, sanftem Elektrobeat und tollem Gesang ab.

Das weitgehend instrumentale und atmosphärisch sehr gelungene Too Many Lovers wirkt, als wolle es sich selbst in den Schlaf wiegen. Verspielte Latin-Rhythmen tragen Boys Suck, das vor allem durch sein höheres Tempo davor bewahrt wird, bloß die Hintergrundbeschallung für den Nachmittagscafé zu sein. So klingt die Zeile „Summer day / take my blues away“, dann auch nicht so sehr wie eine Hoffnung, sondern eher wie eine Aufforderung. Wer einen Prototyp für die Musik von Melodiesinfonie und Fiona Fiasco sucht, ist wohl bei You Didn’t Touch My Neck an der besten Adresse: Im Zentrum steht eine seltsam verfremdete Akustikgitarre, die man auf diesem Album öfter hört und die hier zwischendurch komplett freidreht, dazu gibt es nur den geheimnisvollen Gesang und eine Zeile, die Forever Faking Memoirs wunderbar zusammenfasst: „My name is Melody Mystery.“

Auch das Video zu Brangelina Fanfiction persifliert Selbstinszenierung.

Melodiesinfonie bei Soundcloud.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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