Künstler | Mercury Rev | |
Album | The Light In You | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Sieben Jahre haben Mercury Rev zwischen dem Vorgänger Snowflake Midnight und dieser Platte vergehen lassen. In die Zwischenzeit fällt unter anderem Mercury Rev’s Cinematic Sound Teox BrainWave Concerto Experiment in John Zorn’s Club in New York, außerdem hat die Band aus Buffalo bei diversen Konzerten mehrere Live-Soundtracks zu ihren Lieblingsfilmen gespielt und auch ein paar Festivalauftritte absolviert, bei denen auch etliche Stücke aus ihrem bisher erfolgreichsten Album Deserter’s Songs (1998) zum Set gehörten. „Diese Songs wieder zu spielen, hat uns erinnert, wo wir herkommen und welche Richtung wir verfolgen“, sagt Sean „Grasshopper“ Mackowiak. „Wir wollten zwar nicht Deserter’s Songs 2 machen, aber ein paar der losen Enden wieder zusammenführen.“
Erstmals ist er bei The Light In You alleine mit Jonathan Donahue am Werk, einem weiteren Gründungsmitglied. Die Arbeiten für das achte Studioalbum der Band begannen im Frühjahr 2013, das Ergebnis bezeichnet Grasshopper als „das Beste, was wir seit langer, langer Zeit gemacht haben“ und sagt: „Es ist wie ein Drogentrip, aber ohne dass man Drogen genommen hat. Lehne dich einfach zurück und tauche hinein!“
Das ist in der Tat eine gute Beschreibung für diesen Sound aus dem Wolkenkuckucksheim, den Mercury Rev seit ihrem Debütalbum Yerself Is Steam (1991) zelebrieren. Die Platte wimmelt vor Glockenspielen, Chören und Streichern, in einem Lied wie Emotional Freefall jubiliert und tiriliert alles. Grasshopper singt von einem „broken heart wonderland“ – diese drei Wörter wären natürlich auch eine gute Beschreibung für die Musik seiner Band insgesamt. In Central Park East gibt es rund um die Frage „Am I the only lonely boy to ever walk in Central Park?“ fliegende Teppiche und Tagträume, in Coming Up For Air schlüpft er gar in die Rolle eines Delfins, ausgehend von der Zeile „I took a ride after you left me in pieces“ und baut noch ein Zitat aus John Lennons War Is Over ein.
Die erwähnten Textzeilen zeigen schon, dass in der Traumwelt von Mercury Rev unlängst auch ein paar Wolken aufgezogen sind. „Es war eine dieser Phasen im Leben, in der alles, was man für stabil hält, plötzlich hinwegschmilzt“, sagt Jonathan Donahue über die Zeit seit dem Vorgänger, die demnach voller Turbulenzen, Traurigkeit und Unsicherheit war. „Manchmal lohnt es sich, wenn man etwas Wichtiges ausdrücken will, sich dabei Zeit zu lassen statt einfach damit herauszuplatzen.“ Vergänglichkeit kann man als wichtiges Thema auf The Light In You erkennen, auch die Jahreszeiten und Naturbilder tauchen ein paar Mal auf, wie in Autumn’s In The Air, dem in seinem quirligen Tempo an Cornershop erinnernden Sunflower oder dem Album-Abschluss Rainy Day Record, der Musik als Trostspender zelebriert und auch zu Belle & Sebastian passen würde (auch wenn es bei denen wohl keinen Rap-Teil geben würde, in dem diverse Indie-Helden aufgezählt werden). „Den Albumtitel kann man so tief interpretieren wie man will, auf metaphorischer, spiritueller oder einfach einer poetischen Ebene“, sagt Donahue. Das darin erwähnte Licht betrachtet er selbst als „das Leuchtfeuer, das es uns ermöglicht, uns selbst zu sehen – so ähnlich wie bei der Musik von Grasshopper und mir. Wir reflektieren uns gegenseitig.“
In den besten Momenten wie dem Auftakt The Queen Of Swans tragen Oboen, Streicher und die patentiert hohe Stimme von Grasshopper dazu bei, sich von einem zerbrechlichen Beginn zu einem bombastischen Finale zu entwickeln und auch etwas Tumult und Leidenschaft zu integrieren. In You’ve Gone With So Little For So Long kann man etwas Rock-Ästhetik erkennen, auch psychedelische Einflüsse à la The Flaming Lips. Allerdings hat The Light In You auch schwächere Passagen. Moth Light beginnt als schönes Liebeslied, dem am Ende allerdings etwas die Luft ausgeht, Amelie wird langweilig und selbstverliebt, Are You Ready zeigt, dass kraftvolle Sounds nicht unbedingt die Stärke von Mercury Rev sind, in diesem Song besingen sie zudem zwei Genres, die vielleicht auch als Eckpunkte ihrer musikalischen Welt betrachtet werden können: „Psychedelic Rock and Blue Eyed Soul.“ Es gibt einige Momente auf diesem Album, in dem sich der Gedanke anschleicht: Würde man eine Mercury-Rev-Parodie machen, klänge sie nicht sehr anders als diese Lieder. Auch wenn hier ein paar echte Dramen verarbeitet werden, muss man feststellen: Der Aufwand ist fast überall größer als die emotionale Wirkung.