Künstler | MGMT | |
Album | MGMT | |
Label | Columbia | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
„What am I really like inside?“, fragt Andrew VanWyngarden im vierten Lied dieses Albums. Es handelt sich dabei zwar um die einzige Coverversion auf dieser Platte (das Original von Introspection stammt von Faine Jade aus dem Jahr 1968), trotzdem ist die Frage sehr zentral für MGMT und ihr gleichnamiges drittes Album. Man meinte, sie zu kennen, aber sie entdecken offensichtlich sich und ihre Möglichkeiten hier selbst gerade erst.
Natürlich ist es sehr spannend, diesen Prozess zu begleiten, allerdings ist er auch nicht frei von Spannungen. Nach den Hits Kids und Time To Pretend vom Debütalbum hatten nicht nur viele Fans irritiert auf den deutlich weniger eingängigen Nachfolger Congratulations reagiert, sondern auch die Plattenfirma. Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser haben selbst erklärt (und später dementiert), ihr Geldgeber sei mit dem zweiten Album nicht zufrieden gewesen und habe deutlich gemacht, dass es für Longplayer #3 bitteschön wieder etwas zugänglicher werden darf. Es ist ein Konflikt, der MGMT prägt: Dem Rolling Stone sagte die Band noch vor Erscheinen der Platte, dass sie nicht daran interessiert ist, „Musik zu machen, die jeder gleich beim ersten Hören versteht“. Auch Kritiker wie Tom Pinnock vom NME betrachteten die Platte vor allem aus dieser Perspektive: „Forget the shareholders – it’s time for us to give MGMT a proper chance, on their own terms“, schrieb er.
Das ist in der Tat die beste Herangehensweise an diese Platte, die gemeinsam mit Produzent Dave Fridmann in den Tarbox Road Studios aufgenommen wurde. Alien Days eröffnet das Werk, die ersten Sekunden könnten dabei eine Technopop-Hymne aus dem Jahr 1997 einläuten, dann entwickelt sich daraus eine psychedelische Ballade, die ständig kurz davor zu sein scheint, sich zu dematerialisieren. Den Kern von Cool Song No. 2 könnte man in Opernhäusern als moderne Klavierkomposition aufführen, dazu haben MGMT einen sehr kraftvollen und ebenso modernen Beat gepackt. Aus Plenty Of Girls In The Sea hätten sie den Hit à la Time To Pretend machen können, den das Label wohl so gerne gehabt hätte, stattdessen lassen sie hier aber ihrem Zynismus freien Lauf, im Text ebenso wie im Sound.
Der Versuch, sich zu entziehen, ist omnipräsent in diesen Liedern. Nur das trockene und sehr fokussierte Schlagzeug scheint Mystery Disease auf der Erde zu halten, A Good Sadness scheint sich manchmal in sich selbst zu verheddern, Astro-Mancy erweist sich als ein Folk-Epos, das versucht, in den Dub-Modus zu wechseln. Your Life Is A Lie ist voll und ganz desillusioniert, I Love You Too, Death strahlt trotz des Titels eine einladende Gemütlichkeit aus, die zugleich irritierend ist, weil in all den Sounds drumherum offensichtlich so viel Ehrgeiz, Überlegung und durchaus auch Mühe steckt.
Die zehn Lieder auf MGMT enthalten erstaunlich viel Text für eine Band, die den Fokus vermeintlich vor allem auf Stimmungen und Sounds legt, offenkundig ist auch, wie wichtig die visuelle Komponente ist, die bei dieser Band stets mitgedacht werden sollte. Als Kopfkino funktioniert das Album wunderbar, der Schlusspunkt An Orphan Of Fortune lässt dann schließlich auch etwas wie eine Verortung zu: Man darf Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser wohl als große Experimentalisten wie David Bowie, Frank Zappa oder Wayne Coyne begreifen, die Liebe zu Pop bleibt – wie bei diesen Vorbildern – indes auch hier klar erkennbar. Gerne darf man auch noch einmal auf die URL verweisen, die das Duo für seine Website gewählt hat: WhoIsMGMT.com lautet die Adresse. Sich damit abzufinden, dass diese Frage immer offen bleiben wird, tut gar nicht weh, wenn die Suche nach einer Antwort so interessant ist wie hier.