Künstler | Mike Shinoda | |
Album | Dropped Frames Vol. 2 | |
Label | ADA | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Mark Drillich ist Bassist und das einzig verbliebene Gründungsmitglied von Kong, einer Progressive-Metal-Band aus Amsterdam, die mit Unterbrechungen seit fast einem Vierteljahrhundert aktiv ist. Im Mai 1994 hat er im Gespräch mit Visions eine Aussage gemacht, die sehr hilfreich ist für das Verständnis von Dropped Frames Vol. 2. Denn Kong machen – genau wie Mike Shinoda auf dem zweiten Teil seiner während des Corona-Lockdowns entstandenen Reihe – rein instrumentale Musik. „Gesang und Text erleichtern den Zugang zur Musik. Müssen Hörer ihren Sinn aus den Klängen der Instrumente erschließen, haben sie keinen unmittelbaren Ansatzpunkt“, sagte Drillich damals. Genau diesen Effekt kann man hier beobachten, und er macht einen beträchtlichen Teil des Reizes dieser Platte aus.
Auch das ungewöhnliche Konzept von Dropped Frames gehört weiterhin zu diesem Appeal: Schon als Gründungsmitglied von Linkin Park, wo er unter anderem Gesang, Gitarren und Keyboards beisteuerte, wusste Mike Shinoda die Möglichkeiten des Internets sehr geschickt für seine Musik und den Aufbau einer Community zu nutzen. Die Band liegt seit dem Selbstmord von Chester Bennington im Juli 2017 weitgehend auf Eis, auch für seine Soloaktivitäten (2018 war sein erstes eigenes Album Post Traumatic erschienen) gab es kaum mehr Entfaltungsmöglichkeiten, als die Covid19-Pandemie das öffentliche und kulturelle Leben mehr oder weniger lahm legte. Also lud Mike Shinoda seine Fans ein, gemeinsam mit ihm auf dem Live-Streaming-Videoportal Twitch neue Musik zu machen und sich per Chat in die Produktion einbringen. Fünf Mal die Woche war er dort präsent, immer um 10 Uhr Ortszeit in seinem Zuhause in Beverly Hills. Der erste Teil der dabei entstandenen Dropped Frames erschien am 10. Juli, darauf waren noch vereinzelt Vocals (teils auch von Fans) zu hören. Für Dropped Frames Vol. 2 hat er zwar auch Gäste an Bord, aber die sind durchweg Profi-Schlagzeuger beziehungsweise Beat-Bastler – und gesungen wird überhaupt nicht mehr.
Isolation Bird (mit Money Mark) baut auf einem Sample auf, das möglicherweise das Krähen eines Hahns ist, entwickelt einen guten Groove, wird abwechslungsreich und nicht nur ein bisschen durchgeknallt. Elise Trouw verleiht Astral einen sehr straighten Beat. Channeling, Part 2 (mit Dan Mayo) wird etwas experimenteller als der Durchschnitt dieser Platte, die sich ohnehin viele Freiheiten nimmt: Manche Stücke sind nicht einmal 100 Sekunden lang, Dog Whistles bleibt weitgehend ambient, Sunset Drive vermischt ein paar Tribal-Elemente mit sehr eleganten Streichern, Side Scrolling baut Sounds aus dem Nintendo Game Boy sowie einen besonders muskulösen Bass ein, auch wenn es nicht direkt Big Beat wird.
Eine Synthie-Melodie sorgt in Julio’s Revenge für Science-Fiction-Gefühl, Dungeon Crawler zeigt sowohl die Vorliebe Shinodas für alte Computerspiele (die natürlich wunderbar zu Twitch passt) als auch sein Händchen für Melodien. Das Sample zu Beginn des Album-Schlusspunkts Party Meow ist die einzige menschliche Stimme, die man hier hören kann, dann gibt es viel Geschwindigkeit, Aufregung und fast etwas Karneval-Atmosphäre. King Paprika könnte man sich vielleicht von den Gorillaz vorstellen, die Kombination aus prominentem Beat und stimmiger Atmosphäre aus Crystalina würde zu Moby passen. Transitions hat ein TripHop-Fundament, verweist kurz auf den Klavierunterricht, den Mike Shinoda einst hatte, und lässt dann auch eine Gitarre erklingen, was auf Dropped Frames Vol. 2 äußerst selten passiert. Ob die Platte somit für Fans von Linkin Park geeignet ist, sei dahingestellt. Mehr als ein oberflächlicher Zeitvertreib ist sie in jedem Fall: Viele der Songs klingen wie originelle HipHop-Tracks, bei denen bloß noch der Rap fehlt.