Künstler | Monsters Of Liedermaching | |
Album | Für alle | |
Label | OMN | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Vielleicht könnten sie selbst zu Betroffenen werden. In Scheiß CD, das ihr neues Album Für Alle eröffnet, singen die Monsters Of Liedermaching aus der Perspektive eines enttäuschten Fans, der nicht nur dem gewohnten Stil seines einstigen Idols nachtrauert, sondern damit unterbewusst auch der eigenen Jugend. Die Belohnung für die Treue des Fans soll die Stagnation des Künstlers sein, der zum Nostalgie-Vehikel wird – genau diesen gedanklichen Kurzschluss nimmt die Band hier auf die Schippe. „Von Bob Dylan bis zu den Goldenen Zitronen: Musiker könnten ein Lied davon singen, was es bedeutet, neue Ideen und kreative Impulse zu verarbeiten, und damit verbissene Fans zu verschrecken, die von ‚ihren Idolen‘ im Grunde einen künstlerischen Stillstand einfordern. So wird Veränderung oftmals als Verrat liebgewonnener Traditionen deklariert. Scheiß CD ist ein Song gegen diesen Tunnelblick“, sagt Totte Kühn, einer von sechs Songschreibern der Gruppe.
Solche Veränderungen wagen hier auch die Monsters Of Liedermaching, denn nach 14 Jahren als Band und sieben Alben, die ausschließlich mit Liveaufnahmen bestückt waren, ist Für Alle ihr erstes Studioalbum überhaupt. Für den Appeal von Totte Kühn, Rüdiger Bierhorst, Jens Burger, Peer Jensen, Jan Labinski und Frederik Timm ist das kein Manko: Sie zeigen eine große Bandbreite und bewahren sich die Attitüde, für fast jeden Spaß zu haben zu sein.
Das ausgelassene, sogar alberne Straßenschwimmer von Venedig spielt mit Latin-Elementen, Ich Sonnenschein erklärt etwas angejazzt, wie gut ein unschuldiges Gesicht durchs Leben hilft, der Nebenjob als Auftragskiller für die Mafia wird kurzweilig, Kleine Lilly bieten die Monsters acappella dar, erstaunlich unnachgiebig und gerade deshalb so traurig. Morgenstern wird sanft, behutsam und romantisch, Feuerwehrleute überrascht mit Countrysound und wirkt etwas kalkuliert in seiner Eignung für die letzten verbliebenen Gäste beim Dorffest, auf den Kanon-Gesang mit dem Text „Tatütata“ muss man aber auch erstmal kommen.
Ausfälle sind ansonsten rar auf Für Alle: Wenn Mein Hund die eigene Ehefrau und das Haustier als Gefährten in einen Topf wirft, ist das dann doch reichlich misslungen, auch das krude Institut ist ein Fehlgriff bei einem ansonsten sehr konstanten Qualitätsniveau. Ein typischer Song ist Photoshop: nette Idee, überzeugend umgesetzt. Das gilt auch für Katz und Hund (endlich sagt mal jemand, wie dämlich Hunde sind!) und das in Sound und Inhalt an Olli Schulz erinnernde To Do Liste.
Ohnehin sind die Monsters Of Liedermaching am stärksten, wenn sie auf die Tücken und Tragödien des Alltags blicken und sich dabei auch selbst ein wenig zum Deppen machen. Das zeigt der Schlauwalzer als heimliche Hymne für alle, die nicht ganz helle, dafür aber reichlich tollpatschig sind. Sehr sympathisch in seiner ironischen Selbstüberhöhung ist Socken, in dem der Sänger zum Helden wird, weil er den Fluch der in der Waschmaschine verschwindenden Strümpfe besiegt hat. Das Schaf erzählt von der gar nicht so erstaunlichen Verwandlung eines flauschigen Schafs in einen knusprigen Döner. „Schaf ist tot“ reimt sich dann auf „Fladenbrot“, für solche Blödeleien sind beispielsweise auch Die Ärzte immer noch gerne zu haben. Nur mit dir wird ein Liebeslied mit der Pointe, dass die Angebetete hier die eigene Gitarre ist.
Ein paar Mal wird Für Alle sogar seriös. Der Fels nimmt eine turbulente Beziehung in den Blick, in der es trotz aller Streitereien doch eine sehr stabile Anziehungskraft gibt. Auch Sag mir doch geht in diese Richtung und fragt angesichts zweier Menschen, die zumindest im Anfangsstadium einer Beziehung sind, ob da nicht nur Potenzial ist, sondern auch eine Zukunft. Superman erweist sich als rührende Metapher für den Moment, wenn Tatkraft, der Glaube an die eigene Unverwundbarkeit und das Gefühl, von der Welt gebraucht zu werden, plötzlich schwinden. Spätestens mit diesem Lied zeigen die Monsters Of Liedermaching ein Ausmaß an Ernst und Einfühlungsvermögen, das man ihnen nach den 16 Liedern zuvor gar nicht zugetraut hätte.