Künstler | Montreal | |
Album | Schackilacki | |
Label | Amigo Records | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Zwei wichtige Fragen werfen die ersten drei Lieder dieses Albums auf. Erstens: Was meinen Montreal mit der Wortschöpfung Schackilacki? Die Antwort liefert der Opener Kino?! Nimmt man diesen Song zur Grundlage, ist „Schackilacki“ so etwas wie „Remmidemmi“, auf jeden Fall tausendmal spektakulärer als ein Kinobesuch. Zweitens: Warum macht eine Band, die aus Hamburg stammt und nun in Berlin lebt, einen Song über Osnabrück? Das gleichnamige Lied löst dieses Rätsel nicht und wird stattdessen zu einer Hymne auf diese Stadt, die immer wieder zwischen Ironie und trotzigem Lokalpatriotismus taumelt.
Das Problem in den anderen Liedern auf dem sechsten Album von Hirsch, Max und Yonas ist indes: Es gibt darin zu wenige Fragen. Montreal sind auch hier aufrecht, die Songs sind gut gemacht, Schackilacki bietet ein sehr konstantes Qualitätslevel fast ohne Ausreißer nach oben oder unten. Erwartbar zu sein, ist im (Pop-)Punk allerdings nicht unbedingt ein Kompliment. Und genau dieses Attribut trifft auf diese Platte zu: Das Tempo ist durchweg ähnlich, der Bass ist metallisch, das Schlagzeug besteht zu 70 Prozent aus Snare Drum, die Gitarre bekommt in vielen Liedern ein kurzes Solo, zum Refrain kommt eine zweite Stimme hinzu. Fans wird das zufriedenstellen, für den Rest der Welt bietet Schackilacki aber wenig Anlass, sich Hals über Kopf in Montreal zu verlieben.
Dabei ist zumindest das Bemühen erkennbar, inhaltlich aktuell zu sein. Einfach nur verstehen blickt auf Verbitterung, Empörung und die Spiralen, in denen sich beides immer weiter steigert – und kann diese Dynamik nicht fassen. Die Single Idioten der Saison grenzt sich ab, ohne allzu explizit Stellung zu beziehen. Glaubensfragen hat erkannt: Es ist selten hilfreich, wenn man sich seiner Weltanschauung zu sicher ist. Musik in meinen Ohren stellt die Frage, wie man eigentlich damit umgehen soll, wenn man sich in eine Verschwörungstheoretikerin verliebt hat.
Natürlich finden sich weiterhin auch die Tücken des Alltags und die Fallstricke der Liebe in den Texten von Montreal. Wenn man den Rat Hör auf deine Freunde befolgt, wird man demnach nicht nur vor Suff-SMS bewahrt, sondern auch vor verunglückten Frisuren oder verfrühten Liebesschwüren. Was wir hatten thematisiert die Reue über eine Trennung (es ist wohl nicht unbedingt eine Liebesbeziehung gemeint, sondern eine Freundschaft). Manchmal ist man so down, dass selbst alle denkbaren Glücksfälle, die einem widerfahren mögen, nicht helfen, lautet die Erfahrung in Richtig falsch. So etwas wie ein Moment des Hedonismus wird Schöpfen aus dem Vollen, der Album-Abschluss Was ich will ist das Geständnis, keinen Plan im Leben zu haben und zugleich die Erkenntnis, dass das befreiend sein kann.
Mit 120 Sekunden gibt es doch noch ein veritables Highlight: Das Lied ist nicht nur 120 Sekunden lang, sondern handelt auch davon, dass es 120 Sekunden lang ist (und was man in dieser Zeit alles anstellen kann). Textlich gibt es auf Schackilacki auch sonst den einen oder anderen originellen Moment, dazu eine erfreulich hohe Dosis an Ironie. Musikalisch verbleiben Montreal aber zu sehr im Vertrauten, um dem Status als „besonders“ nahezukommen. In den besonders melodiösen Passagen könnten die Songs zu Madsen passen, in den schlimmsten Momenten rückt das Trio gefährlich nahe an Sportfreunde-Stiller-Kumpelhaftigkeit. Insgesamt klingt es solide und zuverlässig – oder wie eine 31 Minuten lange Bewerbung für den Job im Vorprogramm bei der nächsten Tour der Toten Hosen.