Künstler | Morcheeba | |
Album | Blackest Blue | |
Label | Kartel Music Group | |
Erscheinungsjahr | 2021 | |
Bewertung |
Man könnte Morcheeba leicht für Stubenhocker halten. Ihre Musik ist so angenehm, entspannt und wohltuend, dass Assoziationen wie Sofa, Hängematte oder Schaukelstuhl nicht allzu fern liegen. In Wirklichkeit sind Skye Edwards und Ross Godfrey aber ziemlich umtriebig. Mit Blackest Blue veröffentlichen sie heute bereits ihr zehntes Studioalbum, vor allem aber ist das Duo quasi unermüdlich auf Tour oder weltweit bei Festivals zu sehen. Tatsächlich zu Stubenhockern sind sie erst durch den Lockdown geworden. „Es war das erste Mal seit meiner Teenager-Zeit, dass ich ein ganzes Jahr lang nicht auf Reisen war und stattdessen die Ruhe genießen konnte. Auch wenn ich es natürlich vermisst habe, in fernen Ländern meine Gitarre zu spielen“, sagt Godfrey.
Die lange Auszeit von den üblichen Live-Auftritten haben Morcheeba genutzt, „Songs zu schreiben und wirklich intensiv an ihnen zu feilen“, sagt Godfrey. „Es gab kaum Druck von außen, also konnten wir uns wirklich Zeit lassen, bis alles gepasst hat“, ergänz Skye Edwards. Das merkt man Blackest Blue tatsächlich an: In fast jedem Lied stecken neue Ideen, manchmal sogar Ecken und Kanten. Der Auftakt Cut My Heart Out ist gleich das erste Beispiel dafür: Der Song beginnt langsam und scheint dann immer weiter verzögert zu werden. Der Schmerz der Zeilen „Put your knife away / I already cut my heart out“ scheint im unsteten Beat zu liegen und in den irritierenden, verfremdeten Stimmen, die den Refrain umgarnen, auch das Gitarrensolo am Ende hat nichts mit dem üblichen Säuseln und Schönklang zu tun.
Say It’s Over überrascht als Klavierballade mit etwas Country-Flair und als Duett mit Brad Barr (The Slip, The Barr Brothers). „Ich habe ihn gefragt, ob er auf unserem Album sein möchte, und ihm dann eine sehr rohe Demoversion geschickt. Er hat das weiterentwickelt, dann hat Skye die Melodie und den Text vollendet – und wir hatten einen eiskalten Song über das Ende einer Beziehung. Das Stück ragt wirklich heraus, es ist eine Tonne schwer“, erzählt Godfrey. Auch, wenn das Duo näher an seinen Kernkompetenzen bleibt, gibt es gelungene Momente. Sounds Of Blue zeigt, dass die Stimme von Skye Edwards weiterhin einen enormen Reiz hat, in Killed Our Love lässt sie selbst den Blick auf das, was die Liebe getötet hat, einschmeichelnd klingen, fußend auf einer von Bläsern unterstützten Piano-Melodie, die auch zu Jazz passen würde.
Das instrumentale Sulphur Soul mixt gekonnt Panflöte mit ein paar asiatischen Elementen und einer guten Prise Funk. Die Melodieführung in Falling Skies ist ebenso kreativ wie die Gitarrenarbeit, mit dem Album-Schlusspunkt The Edge Of The World (feat. Duke Garwood) erweist sich dann auch der zweite Gastauftritt als gelungen: Garwood klingt wie ein kurz vorm Wahnsinn stehender Schwerenöter, und das passt erstaunlich gut zum wunderschönen Gesang von Skye Edwards.
Dennoch zeigt auch Blackest Blue das Problem dieser Musik nach mehr als einem Vierteljahrhundert Morcheeba: Es gibt hier Chillen als Dienstleistung und insgesamt wenig Dynamik. Man muss schon auf die Details achten, um Abwechslung zu finden, und manchmal wird man selbst dann scheitern. So hat das Album in der zweiten Hälfte einen gehörigen Durchhänger. Oh Oh Yeah ist ein Schlafzimmer-Dub, bei dem sich recht schnell die Frage stellt, warum er fast sieben Minuten lang sein muss, bis dem Stück dann ganz am Schluss tatsächlich der Saft auszugehen scheint. Namaste wird ähnlich einschläfernd, bevor die Platte dann mit The Moon wieder die Kurve kriegt. Die unheilvolle E-Gitarre trägt dazu bei, auch der Rest ist präsenter – und wirft die Idee auf, Morcheeba vielleicht auch mal als Kandidaten für einen James-Bond-Titelsong in Betracht zu ziehen.