Künstler | New Primals | |
Album | Horse Girl Energy | |
Label | Learning Curve Records | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Stell dir vor, ein Freund hat dir von diesem irren Konzert erzählt, eine Band namens New Primals hat da gespielt, in ihrer Heimatstadt Minneapolis oder sonstwo, und auf der Bühne ein famoses Chaos gestiftet. Oder du hast die begeisterte Kritik in Twin Cities Media gelesen, die in der Charakterisierung mündet: “The band itself is like a bomb, the music they create is the explosion and the members are the shrapnel.” Oder du magst einfach alles, was sich in der Schnittmenge zwischen Noise-Rock und Dance-Punk verortet.
Stell dir vor, du legst dann das Debütalbum dieser Band auf, und du hörst: sanfte Gitarrenklänge. Du wirst irritiert sein, vielleicht enttäuscht, womöglich sogar wütend. Aber du wurdest hinters Licht geführt. Diese Stimmung im Album-Auftakt Blood & Water hält nur für ein paar Takte an, schon der Gesang ist dann befremdlich, nach einer guten Minute wird es vollends gefährlich und wahnsinnig, später abstrakt, auch das Rückwärts-Sample ganz am Ende ist eine Überraschung.
Mit diesem Prinzip zeigen Sam Frederick (Gitarre, Gesang), Ali Terveen (Bass) und Lars Oslund (Schlagzeug) sehr gut, was sie auf Horse Girl Energy treiben. Das 2016 gegründete Trio liebt Widersprüche – und New Primals wissen auch sehr genau, dass Vollgas am besten funktioniert, wenn es zwischendurch (oder eben gleich am Anfang) auch Passagen mit weniger Wucht und Tempo gibt. Ihr Kerngeschäft ist indes der Tumult: „It’s just a warfare“ heißt die Erkenntnis, die in Modern Lover immer wieder artikuliert wird, und man hört New Primals ihre Empörung darüber an. Spätestens in Tightrope, dem letzten Lied auf Horse Girl Energy, klingt Sam Frederick wie ein Mann, dem man lieber aus dem Weg gehen sollte.
A Beast With Two Backs steckt voller Rhythmus und Kraft, wie eine besonders psychotische Version der Red Hot Chili Peppers. Wax Poets glänzt mit einer giftigen Gitarre und halsbrecherischen Instrumentalpassagen. Das wilde Coma Fiend lässt zwischendurch ein paar Nu-Metal-Erinnerungen (etwa Papa Roach) aufkommen, in Soft Bullet schrillt die Gitarre zu Beginn wie ein Alarmsignal, danach sind viele Punk-Gene zu erkennen.
Für die Kontrapunkte sorgen etwa Break/Fall/Rot, das verfrickelt und zugleich wuchtig wird. Der Titelsong Horse Girl Energy erweist sich als Instrumental mit einer fast verträumten Gitarrenmelodie, die man sich als Titelmusik einer Fernsehserie aus den 1950ern vorstellen könnte. Auch Wraith kann man in diese Kategorie packen, denn der Song nutzt ein recht klar erkennbares Start-Stopp-Prinzip. Und „Start“ meint bei New Primals offensichtlich stets: Inferno.