Künstler | Nick Cave & The Bad Seeds | |
EP | Distant Sky – Live In Copenhagen | |
Label | Bad Seed Ltd. | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Begeisterte Kritiken haben Nick Cave & The Bad Seeds für ihre mittlerweile abgeschlossene Welttournee zum Album Skeleton Tree erhalten. Vielleicht ist es das dadurch bestätigte eigene Gefühl, gerade gut in Form zu sein, das hinter der Idee steckt, einen kleinen Ausschnitt daraus jetzt auch als Tonträger (limitiertes Vinyl und Download) zu veröffentlichen. Die EP Distant Sky enthält vier Lieder vom Konzert aus der Royal Arena in Kopenhagen aus dem Oktober 2017. Es ist eine knappe halbe Stunde, aber sie könnte kaum intensiver sein: Man hört, und zwar in jedem Lied, förmlich das Handtuch, das Nick Cave am Ende eines Songs braucht und das dann auch auf dem EP-Cover sein Gesicht bedeckt.
Jubilee Street eröffnet den Reigen. Klavier, Gitarre und Bass sind zu Beginn vor allem darauf aus, möglichst viel Raum für Nick Caves Stimme zu lassen, die nach der ersten Strophe dann auch gleich einen Jauchzer aus dem Publikum erntet. Dieses Gefühl unfassbaren Glücks, den Meister leibhaftig erleben zu können, wird selbst in einem so kurzen Ausschnitt des Konzerts immer wieder spürbar. Dass eine Show von Nick Cave für so viele im Saal ein so besonderer Abend werden soll, egal ob sie zum ersten Mal diese Erfahrung machen oder schon seit Jahrzehnten treue Fans sind, ist offenkundig – und Nick Cave, Warren Ellis, Martyn Casey, Thomas Wydler, Jim Sclavunos, George Vjestica und Larry Mullins auf der Bühne scheinen diese Entschlossenheit zu teilen.
„Yeah, I’m transforming, I’m vibrating, look at me now“, singt Cave am Ende des Lieds. Das sollte natürlich das Motto jedes aufrechten Frontmanns sein. Bei der dritten Wiederholung bricht der Song aus sich selbst heraus, diese Eruption einer hörbar zerstörerischen Kraft ist nicht so sehr ein Vulkanausbruch oder Erdbeben oder Wirbelsturm, sondern gleicht einem Mexican Standoff. Das folgende Distant Sky wird ein Duett mit Elsa Torp, es erklingen zunächst nur Bass, Vibraphone und die beiden Stimmen. „Let us go now, my only companion / set out for the distant sky“, lautet der Aufruf darin. Die Sopranistin klingt, als würde sie wirklich davonschweben, während Cave nicht widerwillig folgt, aber doch ahnend, dass ihn am Ziel dieses gemeinsamen Ausbruchs nichts Gutes erwartet. Noch mehr als in der Studioversion kann man hier ahnen, dass mit diesem Verschwinden vielleicht der Tod gemeint ist, das Platzmachen für die nächste Generation.
Passend zu diesem Gedanken folgt Mercy Seat. Klavier und akustische Gitarre machen den Auftakt, Bass und Schlagzeug schleichen sich dann förmlich hinein. Nach und nach straft jeder fiebrige, verzweifelte Ton die Aussage „And I’m not afraid to die“ Lügen, die der Todeskandidat, in dessen Rolle Nick Cave hier schlüpft, uns und sich selbst weismachen will. Den Abschluss von Distant Sky macht From Her To Eternity, als Titelsong des ersten Bad-Seeds-Albums ein innig geliebter Klassiker für viele Fans, auf den in Kopenhagen auch Cave unverkennbar große Lust hat: „I want to tell you about a girl, whoo“, kündigt er das Lied an. Was in den folgenden neun Minuten passiert, ist wie eine Zusammenfassung des Talents dieser Band, ebenso wie die Quintessenz eines Rockkonzerts: Spannung, Spektakel, Theater. Es ist hörbar Inszenierung und hat doch eine Intensität, die auf eine Verbindung zu etwas verweist, das echt, schmerzhaft, wahr und persönlich ist. Famos.