Künstler | Niila | |
Album | Gratitude | |
Label | Polydor | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Ich habe keine Daten darüber, wie viele der rund 5,5 Millionen Menschen, die in Finnland leben, auch Musik machen. Es erscheint mir aber ziemlich wahrscheinlich, dass 99,9 Prozent von ihnen in irgendeiner Weise mit Samu Haber verbandelt sind. So ist es auch bei Niila Arajuuris. Seine erste EP Sorry (2015) hat Jukka Immonen produziert, der auch schon für Sunrise Avenue aktiv war. Mit dieser Band war Niila schließlich auch fleißig auf Tour, schon bevor er im Alter von 28 Jahren dieses Debütalbum veröffentlichte. Auf der später erscheinenden Deluxe Version von Gratitude findet sich dann auch ein Song, den er mit Samu Haber geschrieben hat.
Bedenkt man diese unheilvolle Connection, liefert die Platte erstaunlich okaye Musik zwischen Singer-Songwriter- und Folksounds. Es gibt auf der mit Produzent Hannes Büscher (Tim Bendzko, Culcha Candela, Lena) entstandenen Platte zwar Lieder wie Middle Of The Waterfall oder Timeless, die komplett nach Pop-Baukasten klingen und nicht nur ohne Charme, sondern sogar ohne Identität bleiben. Es gibt auch misslungene Experimente wie das Beat-lastige New Love, das schnell beliebig wird, oder Sorry, das an seinen eigenen Ambitionen scheitert. Play You wird betont heiter, aber nicht halb so sexy, wie es wohl gerne wäre: Es ist zu hoffen, dass Niila mit „I want to play you ‚til the sun goes down“ nur seine Gitarre meint. Dem stehen aber genug gelungene Momente gegenüber, wobei Gratitude auch erfreulich viel Abwechslung bietet.
Schon der Auftakt lässt aufhorchen, denn er ist weit vom plump-plakativen Sound entfernt, den man von Sunrise Avenue und Konsorten sonst bekommt: Rhythmus und Klavierakkorde in Don’t Love Nobody sind erstaunlich beiläufig, ebenso der Gesang, später sogar die Streicher. Das tut dem Song gut, wirkt erwachsen, echt und selbstbewusst. Das leichtfüßige und gut gelaunte Single/Songwriter könnte man sich von Eagle-Eye Cherry vorstellen, die Klavierballade Red wird halbwegs originell und – was in diesem Genre deutlich wichtiger ist – glaubhaft.
Besonders gut ist Niila, wenn er mit Schwung und Energie agiert. In der Single Restless Heart schreit alles (das Pfeifen zu Beginn, der kraftvolle Chor im Refrain, die längst zur Formel gewordene Kombination aus schlichten Drums und reduzierter Akustikgitarre) nach Radiohit, Fireflies schließt das Album als bestes Lied der Platte ab, wird verspielt und trotzdem wirkungsvoll. Man soll auch die schönen Seiten im Leben sehen, lautet die Botschaft in Smell The Roses, das dann auch entsprechend optimistisch klingt, mit guter Melodie und cleverem Einsatz des Beats.
Allzu viel Tiefgang darf man von Niila, der mit 15 seine ersten Songs geschrieben hat, sonst nicht erwarten, ein bisschen zu gerne spielt er auch mit den Klischees von introvertierten Menschen im Norden, die sich in unberührter Natur tummeln. „Wenn ich ein Lied schreibe, fange ich immer mit der Melodie in meinem Kopf an. Für die Songs auf Gratitude habe ich mich tief in die finnische Wildnis zurückgezogen, in eine kleine, einsame Hütte im Wald“, sagt er beispielsweise. „In dieser Einsamkeit konnte ich mich komplett auf mein Inneres konzentrieren, auf meine Gefühle und Gedanken. Vorhänge zugezogen. Dunkelheit. Schweigen.”
Ein Lied wie Sail My Way mit seiner warmen, trägen Stimmung kann man sich gut in einem solchen Setting vorstellen. Better Off (mit Laila Samuelsen) besticht ebenfalls mit einer schönen Atmosphäre, zu der eine einfache Klaviermelodie ebenso beiträgt wie das Zusammenspiel der beiden Stimmen, die erstaunlicherweise nicht das Miteinander besingen, sondern den Segen einer überfälligen Trennung. Im deutschsprachigen Raum brachte das Niila einigen Erfolg ein, bis auf ein paar Kollaborationen gab es von ihm seitdem allerdings kein musikalisches Lebenszeichen mehr.