Noch längst nicht fit für die Lkw-Maut

Der Einbau einer On Board Unit dauert bis zu vier Stunden. Foto: Toll Collect
Der Einbau einer On Board Unit dauert bis zu vier Stunden. Foto: Toll Collect

Ab 1. September sollen Brummis über zwölf Tonnen nicht mehr kostenlos über deutsche Autobahnen rollen. Auch im Altkreis Schlüchtern laufen die Vorbereitungen für die Lkw-Maut auf Hochtouren. Der Termin für den Start ist allerdings in die Diskussion geraten, weil es bei der technischen Ausstattung der Laster Schwierigkeiten gibt.

Die Bundesregierung hat die Firma Toll-Collect mit der technischen Abwicklung des Mautsystems beauftragt. Dieses Konsortium aus DaimlerChrysler, Telekom und einer französischen Firma beteuert, dass bis zum 1. September alles funktionieren soll.

Die Maut kann dann auf drei verschiedene Weisen gezahlt werden. Zum einen über On-Board-Units (OBU). Diese Geräte von der Größe eines Autoradios werden in den Lkw eingebaut. Vor jeder Fahrt müssen dann einige Daten zum Laster eingegeben werden, der Rest funktioniert automatisch:
Die OBU erkennt die zurückgelegte Strecke von selbst, ermittelt die anfallende Maut und sendet die Daten über Satellit an einen zentralen Rechner. 150.000 dieser OBU-Systeme sollen bis 1. September im Einsatz sein.

Für den Einbau im Bergwinkel ist etwa die Mercedes-Werkstatt Simon & Würfl in Schlüchtern zuständig. Zwei Mechaniker haben dort die nötige Zulassung, um die OBU-Systeme installieren zu können. „Das dauert zwischen zwei und vier Stunden pro Lkw“, erläutert Serviceleiter Helmut Beringer. Obwohl die Geräte schon im Lager stehen, konnten die Techniker bisher noch nicht zur Tat schreiten. „Wir brauchen dazu noch eine Freischaltkarte, die eigentlich längst schon da sein sollte. Ich rechne jeden Tag damit, dass sie eintrifft“, sagt Beringer.

Wegen solcher und ähnlicher Probleme warten zahlreiche Spediteure seit Wochen darauf, dass ihre Lkws für die Maut fit gemacht werden. „Wir sollen eigentlich morgen das erste Gerät bekommen. Aber der Termin in der Werkstatt in Fulda ist gerade geplatzt“, sagte gestern Manfred Jahn, Schlüchterner Niederlassungsleiter der Spedition Sostmeier. Grund: Die OBU-Systeme sind noch nicht da. Insgesamt benötigen 120 Fahrzeuge der Spedition ein solches Gerät. Auch weil man noch keine weiteren Einbau-Termine mit der Werkstatt vereinbaren konnte, geht Jahn davon aus, dass der Start nicht zum 1. September erfolgen wird: „Das kann nicht funktionieren. Und wir sind ja nicht die einzigen, die so etwas brauchen.“

Die technische Umsetzung der Lkw-Maut sei „vollkommen unprofessionell vorbereitet. Und wenn man an die Firma Toll-Collect nachfragen will, hängt man bei der Hotline eine Dreiviertelstunde in der Warteschleife“, schimpft Jahn.

Bernd Jobst, Inhaber der Spedition Jobst in Freiensteinau, hat erst einmal mit dem Thema Lkw-Maut abgeschlossen. „Ich lasse mich doch nicht zum Versuchskaninchen für deren Sperenzchen machen. In diesem Jahr kommt mir kein Gerät ins Auto“, stellt er klar. Er habe sich in einer Werkstatt informiert und erkannt, dass das System noch voller Fehler steckt. „So lange das keine hundertprozentige Sache ist, lasse ich die Finger davon“, sagt Jobst.

Eine zweite Möglichkeit zur Mautzahlung gibt es per Internet. Der Fahrer muss dort seine Fahrzeugdaten, die Route und den Starttermin eingeben und wird dann für diese Strecke freigeschaltet. Am Monatsende erhält er eine Mautrechnung für alle zurückgelegten Strecken.

Auf diese Möglichkeit wird man mangels OBU-Systemen wohl bei der Spedition Sostmeier zurückgreifen. Manfred Jahn hätte sich aber auch hier mehr Vorlauf gewünscht. Die Vorbereitung der Fahrer auf das neue System bereite Schwierigkeiten. „Das gibt die Katastrophe schlechthin“, erwartet Jahn. Von Toll-Collect könne man noch nicht einmal eine Broschüre bekommen, wie das Einbuchen ablaufen wird. Jahn: „Wenn ich so etwas hätte, könnte ich die Fahrer schon einmal üben lassen. Aber so wird die Branche allein gelassen.“

Die dritte Möglichkeit sind Maut-Automaten an Autohöfen und Tankstellen. Auch dort können die Fahrer ein Ticket für ihre Route buchen und zahlen dann in bar oder mit Karte die Maut. Solche Automaten sind in Schlüchtern für den DEA-Autoport (Breitenbacher Straße), die Total-Station (Fuldaer Straße), den Shell-Autohof am Distelrasen und die BP-Tankstelle in der Alfons-Käfer Straße vorgesehen. In Steinau soll ein Automat an der bft-Tankstelle (Leipziger Straße) installiert werden.

Am Distelrasen ist der Maut-Automat seit vergangener Woche im Testbetrieb. „Das wird sehr viel genutzt“, sagt Shell-Pächter Markus Groß. Das System funktioniere bisher technisch einwandfrei, sei allerdings etwas kompliziert zu bedienen, weil es nur Autobahnen kennt. „Als Routenplaner ist der Automat nicht zu empfehlen. Man muss schon vorher genau wissen, wo man lang fahren will“, erklärt Groß. Auch diese Methode ist laut Manfred Jahn noch nicht ausgereift. „Am Ende stehen dann 50 Fahrer an so einem Automaten und wollen sich einbuchen, aber keiner weiß, wie es geht.“ Auch die Standorte der Automaten seien teilweise „miserabel gewählt“. Jahn befürchtet in den Anfangsphase der Maut gravierende Auswirkungen. „Der Wirtschaftskreislauf wird dadurch total gestört“, sagt er voraus.

Ob die Fahrer alle ihre Maut gezahlt haben, wird an Mautbrücken kontrolliert. Diese wird es im Bergwinkel jedoch nicht geben. „Hessenweit sind zwölf solche Einrichtungen vorgesehen, jedoch nicht im Bereich der A66“, erklärt Peter Linden, Pressesprecher beim hessischen Verkehrsministerium.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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