Obamas hollywoodreife Wahlwerbung

Der richtige Mann für die Krise - diese Botschaft vermittelt Barack Obama in seiner Wahlwerbung. Foto: http://www.whitehouse.gov
Der richtige Mann für die Krise - diese Botschaft vermittelt Barack Obama in seiner Wahlwerbung. Foto: http://www.whitehouse.gov

Wenn man es nüchtern betrachtet, ist es ein Rückblick, eine Chronologie. Barack Obama hat ein 17 Minuten langes Video ins Netz gestellt, eine Bilanz der wichtigsten Stationen seiner Amtszeit. Doch der selbstbewusste Ton, die beeindruckenden Bilder und die Unterstützung durch reichlich Prominenz geben ein ganz anderes Signal: Ab jetzt machen wir ernst. Während die Republikaner noch über ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl streiten, ist Barack Obama nun mit aller Macht in den Wahlkampf eingestiegen. Yes we can, noch immer – so lautet seine Kampfansage.

The Road We’ve Traveled heißt das Video, das seit Donnerstagabend im Netz steht und bereits mehr als 660.000 Mal angeschaut wurde (zum Vergleich: der aktuellste Podcast von Angela Merkel vom 2. März kommt bisher auf 308 Aufrufe). Schauspieler Tom Hanks spricht aus dem Off, Oscar-Preisträger Davis Guggenheim (Emergency Room, Alias – Die Agentin) hat Regie geführt. Ex-Präsident Bill Clinton tritt auf und lobt die Entschlusskraft des Präsidenten, eine ganze Schar von Experten macht deutlich, wie schwierig die Ausgangslage war, als Obama im Januar 2009 ins Weiße Haus einzog. «Wie ein Horrorfilm» habe sich die wirtschaftliche Situation des Landes dargestellt, sagt Politikberater David Axelrod in die Kamera. Und Tom Hanks setzt mit seiner sonoren Stimme noch einen drauf. «Kein Präsident seit Franklin D. Roosevelt hatte eine solche Last zu schultern.»

httpv://www.youtube.com/watch?v=2POembdArVo

Das ist eine geschickte Strategie, um all jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die enttäuscht sind von der Amtszeit Obamas – egal, ob es seine Gegner bei der Tea Party oder seine einstigen Anhänger in der Occupy-Bewegung sind. Der Kritik stellt der Film eine ganze Reihe von Erfolgen gegenüber: In der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt geht es bergauf, Amerika ist raus aus dem Irak, hat sich Osama Bin Ladens entledigt und ist wieder beliebt in der Welt. Vielleicht das größte Zeichen von Stärke: Der Friedensnobelpreis, den Obama im Dezember 2009 erhielt, wird nicht einmal erwähnt.

Vor allem aber verbreitet The Road We’ve Traveled eine andere Aussage: Auch wenn er nicht rundum erfolgreich war – Obama ist der richtige Mann für die Krise. Der Präsident wird nicht zum Messias gemacht, die Stimmung des Films ist eher demütig als großkotzig. Immer wieder ist der US-Präsident mit ernster Miene zu sehen, nachdenklich, unverkennbar gezeichnet von der Last der Verantwortung. Gerne wird er ganz allein gezeigt, am Schreibtisch im Oval Office, in Gedanken versunken am Fenster, schweigend an der Gedenkstätte für die Opfer des 11. September. Hier ist ein Entscheider, ein Führer, ein Vordenker – das ist die Botschaft dieser Bilder.

Weil in dem Kurzfilm auch eine gute Dosis Hollywood steckt, kommen auch die Gefühle und das Private nicht zu kurz. Es gibt wehende Fahnen und strahlende Gesichter, Obama küsst Babies und begrüßt mit brüchiger Stimme die letzten Soldaten, die aus dem Irak zurückkehren zu ihren Familien. Der Präsident erzählt von seinen Großeltern, die ihm von den harten Zeiten der Great Depression berichtet haben. Von seiner Mutter, die an Krebs erkrankte und mangels einer brauchbaren Krankenversicherung danach ruiniert war. Und als es um ein Obama-Gesetz geht, dass Frauen künftig den gleichen Lohn für gleiche Arbeit wie Männern zugestehen soll, sind seine Töchter Sasha und Malia eingeblendet, liebevoll umarmt vom Papa.

Der spannendste Moment des Videos kommt nach gut fünf Minuten: Da gibt es in The Road We’ve Traveled einen unverhohlenen Seitenhieb auf Mitt Romney. Der hatte die US-Autoindustrie bereits abgeschrieben, als sie am Boden lag. Obama hingegen setzte damals Hilfskredite durch, inzwischen machen die Hersteller wieder gute Geschäfte. Es ist eine kleine Anekdote, die aber erkennen lässt, wen Obama für seinen gefährlichsten Gegner hält. Romney hat übrigens auch einen eigenen YouTube-Channel: Dort muss er aber erst einmal gegen Rick Santorum wettern, bevor er sich Obama widmen kann.

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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