Odd Couple beim Konzert in Leipzig

Odd Couple, Naumanns, Leipzig

Mittwochabend im gut gefüllten Naumanns. Man sieht ein paar Trainingsjacken im Publikum, ein paar Tattoos, sogar kurze Hosen. Was man nicht entdeckt, sind odd couples. Im Gegenteil: Viele der anwesende Pärchen passen äußerlich erstaunlich genau zueinander. Die junge Frau mit den Ohrringen und der nicht ganz so junge Mann mit dem Hoodie. Das Mädchen mit dem Zopf und der Kerl mit dem Basecap. Der Typ mit dem Schnauzer und der andere Typ mit dem Schnauzer.

Auch sonst kann man in Leipzig viel ausmachen, was sich wunderbar ineinander fügt: Mallorca erweisen sich als bestens passende Vorband für den Hauptact. Der Soundmann und seine Sandwichs scheinen sich ebenfalls gesucht und gefunden zu haben. Als Jascha Kreft und Tammo Dehn (unterstützt durch Dennis Schulze am Bass) später die Instrumente tauschen und für zwei Songs sogar noch Tourmanager Niklas Tschaikowsky mit auf die Bühne kommt, wirkt das kein bisschen wie ein eitles Experiment oder eine überflüssige Spielerei, sondern fügt sich sehr organisch in die Dramaturgie des Abends.

Dinge, die man „seltsam / merkwürdig / sonderbar“ nennen möchte, finden sich dennoch reichlich in Leipzig. Da ist die Tatsache, dass als Aufwärmmusik im Naumanns Songs von Ten Sharp und Bon Jovi erklingen. Da ist der ungewöhnliche Umstand, dass Odd Couple bereits seit fast zwei Wochen auf Tour sind, obwohl ihr neues Album Rush-Hour des Lebens erst am 4. April offiziell erscheinen wird – einen Tag nach dem letzten Konzert (wobei man das Werk allerdings am Merch-Stand bereits jetzt kaufen kann). Und da ist nicht zuletzt die verwunderliche Erkenntnis, wie gut diese Sache mit der Gitarrenmusik bei dieser Band weiterhin funktioniert. Odd Couple schaffen es in Leipzig nicht nur, ihren eigenen Sound spannend zu halten. Sie rufen auch in Erinnerung, wie viel Energie, Appeal und Abenteuer selbst anno 2025 noch in der rohen, lärmenden Kombination aus Gitarre, Schlagzeug und Bass stecken kann.

„Es gibt heute Abend viele neue Songs, so bleibt es interessant“, begründen sie lapidar die recht mutige Entscheidung, in der Show im Naumanns einen Schwerpunkt auf Material zu setzen, das die Fans womöglich noch nie gehört haben (und generell mit der Tour nicht erst zu starten, wenn alle sich nach dem Album-Release mit den neuen Stücken vertraut machen konnten). Zwei der drei ersten Songs stammen von Rush-Hour des Lebens (Sehnsucht Jeep und 2 Leute dürften als Singles allerdings immerhin schon bekannt sein), auch danach bildet das neue Material tatsächlich einen Schwerpunkt. Daraus spricht keineswegs Arroganz gegenüber den Erwartungen der Fans. Vielmehr verweist dieser Ansatz auf den Kern von Odd Couple: Diese beiden Menschen wissen, wie viele Klischees, Routinen und Posen mit Rockmusik verbunden sind, wie oft das Genre als gestrig / konservativ / tot bezeichnet wurde, wie lange die letzten echten Innovationen in der Gitarrenmusik tatsächlich schon her sind. Doch sie wissen auch, dass man dieser Ästhetik trotzdem noch Überraschungen entlocken kann, dass sie eine mitreißende Kraft entwickeln kann und dass sich mit genug Könnerschaft und Fantasie sogar ein charakteristischer eigener Twist kreieren lässt, der die Funken sprühen lässt. Im besten Falle live vor Publikum.

Die Fans gehen dabei liebend gerne mit: Die neuen Songs werden genauso bejubelt wie Klassiker wie etwa Haste Strom Haste Licht, das nach rund einer Stunde erklingt. Der offenkundige Grund dafür ist die hartnäckige Lust auf Verzerrung, Wucht und Haareschütteln in dieser Band (irgendwann scheint im Naumanns sogar das Schagzeug eigene Riffs zu spielen), auch der Einsatz von Synthesizern bereichert das Spektrum ganz entscheidend. Dass zwischen den Auftritten von Mallorca und Odd Couple die 22-Minuten-Version von Kraftwerks Autobahn zu hören ist, wirkt zu diesem Zeitpunkt noch etwas eigenartig, erschließt sich dann während des Konzerts aber immer mehr als passende Referenz. Tatsächlich finden Odd Couple auf der Bühne immer wieder den sweet spot zwischen Krautrock, frühen Elektronik-Experimenten und hartem Rock à la Led Zeppelin, in dem Virtuosität nie auf Kosten der Unmittelbarkeit gehen darf.

Was man hier erleben kann, ist das Wissen um den hypnotischen Effekt, der aus Wiederholung entstehen kann, um die todsichere Wirkung eines subtilen Zusammenspiels von Monotonie (so heißt einer der Songs auf der neuen Platte) und Variation, um den zeitlosen Reiz von präzisem Druck, lässigem Groove, forschem Tempo, verführerischer Melodie und – auch das wird im Konzert noch etwas deutlicher – der Offenheit für das Unvorhergesehene. All das, was an Rockmusik über-offensichtlich ist, erfüllen Odd Couple nicht nur mit frischer Begeisterung, sondern (nicht zuletzt dank ihrer Texte) auch mit einer sehr stattlichen Dosis an Rätselhaftigkeit. Wundervoll.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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