Schon wieder sonnt sich die Politik in den starken Zahlen, die Frank-Jürgen Weise vorlegt. Wenn der Chef der Bundesagentur für Arbeit in den vergangenen Monaten seine Bilanzen verkündete, dann waren gute Nachrichten stets sicher. Auch im Juni ging die Arbeitslosigkeit zurück. Doch die große Koalition, die sich dadurch in ihrem Kurs bestätigt fühlt, hat in Wirklichkeit kaum etwas zu der positiven Entwicklung beigetragen. Im Gegenteil: Die Politik droht den Aufschwung zu gefährden, weil sie auch auf dem Arbeitsmarkt ohne Weitblick agiert.
Das Schielen auf Umfragewerte und Tagesaktualität hat längst die Suche nach langfristigen Lösungen verdrängt. Wenn es darum geht, Deutschland fit für die Zukunft zu machen, stehen entweder starke Lobbys (wie im Gesundheitsbereich) oder überholte Ideologien (wie bei der Kinderbetreuung) im Weg – oder aber Maßnahmen, die tatsächlich eine dauerhafte Perspektive eröffnen, werden vom Wähler abgestraft (wie die Agenda 2010, in der viele Wirtschaftsexperten eine der Ursachen für den momentanen Aufschwung sehen). Die Politik feiert den Moment – der bei 3,68 Millionen Menschen ohne Job auch nur relativ schön ist.
An die Schwierigkeiten, die morgen drohen, wird indes kein Gedanke verschwendet. Einfach zu leugnen, dass es hier zu Lande in vielen Bereichen an gut ausgebildeten und motivierten Fachkräften mangelt, ist fahrlässig. Hilfskonstruktionen wie Zuwanderungserleichterungen für ausländische Experten oder Kombi-Löhne für ältere Arbeitnehmer, die wieder in Lohn und Brot kommen sollen, können das Problem allenfalls kaschieren.
Wie ernst die Lage wirklich ist, macht eine ebenfalls gestern vorgelegte Umfrage unter ausländischen Managern deutlich. Die bescheinigen Deutschland zwar gute Standortbedingungen. Doch die Ausbildung der Arbeitnehmer, die eine der Ursachen dafür ist, wurde dabei schlechter beurteilt als im Vorjahr. Dasselbe gilt für den Bereich Forschung und Entwicklung. Die Unternehmensberatung Ernst & Young warnt: Diese Probleme könnten den Aufschwung abwürgen.
Die Prognosen von Bildungsexperten für die Zeit ab 2015 klingen ebenfalls düster: Dann kommen nicht nur die geburtenschwachen Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt. Sie tun das auch mit einer im Durchschnitt deutlich schlechteren schulischen Vorbildung. Schon jetzt fehlen nicht nur Ingenieure und Computerexperten. Auch der kleine Handwerksbetrieb hat mitunter Schwierigkeiten, fähige und willige Lehrlinge zu finden.
Die Lösung kann nur sein, sofort und massiv in Bildung zu investieren. Großbritannien hat in den vergangenen zehn Jahren vorgemacht, dass dies eine sinnvollere Wachstums-Strategie ist als alle Pseudo-Konjunkturprogramme, die Wirtschaftsminister Michael Glos in schöner Regelmäßigkeit vorschlägt. Aber in solch langen Zeiträumen denkt die Politik nicht, solange der Jetzt-Zustand es erlaubt, sich selbst auf die Schulter zu klopfen.