Künstler*in | Olli Dittrich | |
Album | 11 Richtige | |
Label | X-Cell Records | |
Erscheinungsjahr | 2008 | |
Bewertung |
„Mief, Mief, Mief, Mief, Mief / sagt doch über den Charakter gar nichts aus“, sangen Die Doofen im Jahr 1995. Das Duo, bestehend aus Olli Dittrich und Wiegald Boning erreicht damit die Spitze der deutschen Charts. Insgesamt verkauften sie, mit stets albernen Klamotten und stets debilem Grinsen, anderthalb Millionen Tonträger.
„Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke“, begann damals der Refrain von Mief. 13 Jahre später und ein Jahrzehnt nach dem Ende von Die Doofen singt Olli Dittrich wieder über den Zusammenhang von Körpergeruch und Beziehungsglück, doch der Unterschied könnte kaum größer sein. „Tut mir leid, wenn mein Flirt dir nichts sagt / tut mir leid, wenn mein Duft dir nicht behagt“, säuselt er in Wirklich schade, mit einer Stimme, die glaubhaft untröstlich klingt, einem meisterhaften Arrangement mit Streichern, Bläsern und allem Pipapo und einem Text, der die Geschichte dieses gescheiterten Flirts mit der ebenso eitlen wie schmerzhaften (und wahrscheinlich eingebildeten) Überzeugung kombiniert, dass die Traumfrau gar nicht weiß, was sie verpasst.
Wirklich schade hat nichts mit Klamauk zu tun, sondern evoziert eine erstaunlich ernsthafte Melancholie. Das Stück ist damit typisch für dieses Album, an dem Olli Dittrich mehr als ein Jahr gearbeitet hat. Der Mann, dessen erste Platte bereits 1977 erschien, der in Bands wie Tina und die Capri Fischer oder Susis Schlagersextett aktiv war und der als Komponist beispielsweise erfolgreich für James Last und Die Prinzen gearbeitet hat, will mit 11 Richtige offensichtlich endgültig beweisen, dass er ein ernstzunehmender Songwriter ist, unter anderem durch den Einsatz von bis zu 60 Orchestermusikern und die Zusammenarbeit mit Peter Hinderthür (er spielte einst bei den Cultured Pearls, machte dann Filmmusik zum Beispiel für Der Baader Meinhof Komplex und steuert hier die Orchester-Arrangements bei), Stephan Gade (Bobo In White Wooden Houses, hier Co-Produzent) und Manfred Faust-Senn, der unter anderem mit Echt und Johannes Oerding gearbeitet hat und hier die Funktionsbezeichnung „Tonmeister“ bekommt.
Natürlich arbeitet Dittrich auch hier mit Humor. Es gibt in diesen elf Liedern etliche Späße und kleine Witze, oft als ironischen Hinterhalt. Es gibt auch eine fast überbordende Spielfreude und Lust, mit Genres von Chanson über Mariachi bis hin zu Sixties-Psychedelik zu experimentieren. Aber das führt nie dazu, dass diese Songs billig oder effektheischend wirken würden, sondern allenfalls zu einer großen Leichtigkeit und Wärme.
Kein Wort wahr eröffnet das Album mit einem Latin-Rhythmus und handelt von einer Beziehung, in der beide sich gegenseitig etwas vormachen und in der doch beide voneinander profitieren. Die bürgerliche Fassade versteckt das Ende einer Liebe, die wahrscheinlich niemals echt war: „Jetzt sitzt sie beim Therapeuten / und er ist jeden Abend blau.“ Dieser Blick auf Tragik im vermeintlichen Glück, dieses Faible für die Verlierer und diese Fürsorge für gebrochene Herzen findet man immer wieder auf 11 Richtige.
Ich habe keine Tränen mehr hat eine große Eleganz und eine noch größere Wehmut, Dittrich besingt darin (begleitet unter anderem von der Geige von David Garrett) die emotionale Maßlosigkeit, die uns nicht zufrieden sein lässt mit dem kleinen Glück, sondern allzu oft ein aufzehrendes Streben nach einem Hollywood-Wolkenkuckucksheim zur Folge hat. Die größte Liebe (ist die, die man nicht bekommt) setzt der vergeblichen, nicht erwiderten Leidenschaft ein Denkmal. Keine Zeit nimmt den hektischen Alltags-Wahn in den Blick, den Herbert Grönemeyer einst schon in Mambo besungen hat, umgesetzt in einem erstaunlich stilechten indischen Arrangement.
Kleines Herz (springt wie ein Känguru) erzählt mit zuckersüß-schüchterner Stimme und einem dezent tanzbaren Beat von einem Glück, das sich kaum fassen lässt, weil es so wenig erwartet wurde und nun so überwältigend stark einsetzt. Du bist die Sonne offenbart eine so freudig begrüßte Nähe zum Kitsch, dass es wohl nichts gegen die Einordnung als Schlager hätte, zugleich gibt es hier viel Schmackes und ein Banjo – und irgendwie passt das alles zusammen. Noch ein Tanz ist old-timey und nostalgisch wie die Musik beispielsweise von Götz Alsmann oder Jasmin Tabatabai, und lässt den Gedanken aufkommen: Hätte es in den Wirtschaftswunderjahren noch Menuette gegeben, hätten sie vielleicht so geklungen. So zärtlich wie die zentrale Zeile „Unsere Gedanken lieben sich“ ist Unsere Gedanken, das darum weiß, dass Liebe auch ganz intuitiv sein kann.
Was ist denn hier los ist das Lied, in dem dieses Album am ehesten lustig klingt: Der Text wirkt wie das Drehbuch zu einem sehr umfangreichen Slapstick-Sketch, verpackt in opulente Easy-Listening-Klänge. Doch auch in diesem Moment klingt Olli Dittrich – und das ist die Stärke von 11 Richtige – nie wie ein Komiker, sondern immer authentisch, aufrichtig und sogar anrührend.