Pabst Crushed By The Weight Of The World Albumkritik

Pabst – “Crushed By The Weight Of The World”

Künstler*in Pabst

Pabst Crushed By The Weight Of The World Review Kritik
Getrennt begonnen, dann endlich vereint: So haben Pabst ihr drittes Album gemacht.
Album Crushed By The Weight Of The World
Label Ketchup Tracks
Erscheinungsjahr 2022
Bewertung Foto oben: (C) Fleet Union / Roberto Brundo

Sänger und Gitarrist Erik Heise, Schlagzeuger Tore Knipping und Bassist Tilman Kettner machen seit 2016 zusammen Musik. Wenn sie als Pabst heute ihr drittes Album Crushed By The Weight Of The World vorlegen, können sie bereits auf einen erstaunlich legendären Ruf zurückblicken. Schon 2017 wurden sie für den Anchor Award beim Reeperbahn-Festival nominiert. Für das Debütalbum Chlorine (2018) gab es ebenso viel Lob wie für den Nachfolger Deuce Ex Machina (2020). So haben sie etwa El Hotzo als prominenten Fan gewonnen, der über die Musik des Trios aus Berlin schwärmt: “Jeder Song von Pabst klingt, als wäre er Teil des Soundtracks eines Films, der dir im Raucherbereich irgendeines Clubs empfohlen wurde.”

Fast noch erstaunlicher als diese einhellige Begeisterung ist die Aufmerksamkeit, die Pabst auch international erzielen konnten. Sie sind in diesem Jahr auf Support-Tour für Billy Talent, spielen beim Sziget Festival in Budapest ebenso wie beim Madcool in Madrid oder dem ESNS im niederländischen Groningen, wo sie so angekündigt werden: “Berlin trio Pabst rewrites the definitions of modern rock music and revitalizes grunge while they’re at it.” Von der britischen Moshville Times wurden sie bereits als Band Of The Day gekürt. Neil Schiller wählte für den Real Rock And Roll-Blog einen der Songs von diesem Album als “Track Of The Day” und schrieb: “In any case, this is great. (…) my new favourite German band.” Seit einer Weile wird ihre Musik von Alcopop! Records (u.a. DZ Deathrays, mit denen sie auch auf Tour sind, Art Brut) auch nach Großbritannien gebracht, dort schrieb Clout Music unlängst über Pabst: “Their energetic and unkempt sound borrows the best from genres such as grunge, punk, garage-rock and power pop, and results in an emphatic, in your face sound that is vying to be heard by the masses.”

Wie machen sie das bloß? Die zwölf Lieder auf Crushed By The Weight Of The World, aufgenommen in Leipzig und Berlin mit den Produzenten Magnus Wichmann und Adam Lenox, liefern darauf eine ziemlich einfache und verdammt überzeugende Antwort: Pabst vereinen Power und Komplexität, Sleaze und Intelligenz. Man merkt ihrer Musik das ausgeprägte Interesse an Soundfrickeleien an (die Band hat ein eigenes Gitarren-Effektpedal auf den Markt gebracht), aber die drei Musiker verlieren nie den nötigen Impact eines Stücks aus den Augen. Das gilt für jeden einzelnen Song, und es gilt in jeder einzelnen Sekunde dieses Albums.

Dead Ahead eröffnet die Platte und verkörpert “die unwiderstehliche Mischung aus Kampfreflex und Fluchtinstinkt, wie sie nur ein Geschwindigkeitsrausch am Rande der Selbstzerstörung auslösen kann”, wie El Hotzo im Pressetext treffend schreibt. Ähnlich rasant, wild und sofort auf dem Gaspedal (auch wenn es hier nicht im Text erwähnt wird) wird Mercy Stroke, das auch gut zu den Hives gepasst hätte. Locker Room (bekanntlich nicht der beste Ort für Außenseiter) dürfte Fans von Placebo gefallen, Daddy’s Boy setzt auf einen besonders spektakulären Beat und nähert sich damit den Chemical Brothers an oder dem experimentelleren Spätwerk von Oasis, auch der Verzicht auf die sonst übliche Kopfstimme in der Strophe sorgt darin für zusätzliche Spannung.

Never Again wird getragen von der eigenen Entschlossenheit ebenso wie von einer zusätzlichen Eskalationsstufe, die das Trio genau in der Mitte des Songs zünden. Week Full Of Weekends vereint Stoner Rock, Fuzz und Ungestüm – und zwar im Übermaß, also der Dosis, die bei Pabst offensichtlich der Standard ist. Shoulder To Cry integriert unfassbar viele Ideen und balanciert sehr clever zwischen Härte und Verspieltheit, das abschließende You Blink, You Miss It wird für ihre Verhältnisse eine Ballade, ist aber deshalb nicht weniger spektakulär. Das etwas selbstverliebte Say My Name erweist sich letzlich als der einzige Track auf Crushed By The Weight Of The World, der nicht komplett überzeugend und atemberaubend ist.

Zur Stärke der Platte gehört auch, wie sehr Pabst diese Lieder zu einem Statement gegen Frust und Kapitulation machen. Die Corona-Auswirkungen hatten schon die geplante Kampagne rund um Deuce Ex Machina heftig beeinträchtigt, hier waren sie gezwungen, zunächst getrennt voneinander an neuem Material zu arbeiten. Trotzdem klingt Crushed By The Weight Of The World sagenhaft organisch, nach Zusammenhalt und Abenteuerlust. Auch in den Texten hat Covid seine Spuren hinterlassen, in Zeilen wie “We’re gonna die, but not today” im schon erwähnten Mercy Stroke oder “I’m too fucking old for teenage angst / but with every passing day I feel like coming of age again” im programmatisch betitelten und ziemlich hymnischen No Future? No Thanks!

Die klügste, schönste und wichtigste Zeile steckt im Titelsong und lautet: “Before you’re getting crushed by the weight of the world / you gotta have a crush on yourself”. Das Lied dazu ist aufrührerisch, aufbauend und konstruktiv, einfach unfassbar gute Gitarrenmusik, ein bisschen wie Leoniden ohne diese seltsame Michael-Jackson-Vorliebe. Auch El Hotzo hat diese Bezüge sehr klug interpretiert und darf deshalb hier das Schlusswort haben “Crushed By The Weight Of The World […] ist Ausdruck des Gefühls, das die Generation zwischen Millennial und Gen Z vielleicht prägen wird: die ohnmächtige Wut, die entsteht, wenn man dabei zusehen muss, wie die Zeit, die die beste des Lebens sein sollte, wie Sand zwischen den Händen zerrinnt.”

Das Video zu Crushed feiert die Energie von Musik.

Website von Pabst.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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