Künstler*in | Pascow | |
Album | Sieben | |
Label | Kidnap Music | |
Erscheinungsjahr | 2023 | |
Bewertung | Bandfoto oben: (C) Fleet Union / Andreas Langfeld |
Sieben heißt das siebte Studioalbum von Pascow. Die Band aus dem Saarland liefert zur Platte, wie das üblich ist, ein paar Pressefotos mit, die Magazine, Newsportale oder eben Blogs wie Shitesite nutzen können, wenn sie über das Quartett berichten. Die Bilder wurden von Andreas Langfeld gemacht, und sie sind ziemlich aussagekräftig im Hinblick auf das Wesen dieser 1998 gegründeten Band. Es gibt eine Serie, in der die Bandmitglieder auf einer Treppe sitzen. Sie sehen da aus wie erwachsene Männer, wenn auch etwas cooler als der Durchschnitt in ihrem Alter. Für eine zweite Serie wurden sie im Fotoatelier vor weißem Hintergrund abgelichtet. Alle tragen Schwarz und könnten mit diesen Outfits und diesen Posen auch die Belegschaft einer kleinen Filmproduktionsfirma oder Werbeagentur sein. Und dann gibt es noch ein paar Bilder, die Pascow live auf der Bühne und backstage direkt nach einer Show zeigen. Und genau auf diesen Fotos erkennt man, wer diese Typen wirklich sind. Berserker, Energiebündel, vollgepumpt mit Überzeugung, immer in Aktion, bis sie in Schweiß gebadet sind.
Es ist dieser Spirit, der auch die neue Platte trägt. Nach einem Vierteljahrhundert als Band und mit bereits sechs Alben im Gepäck klingen Pascow weiterhin frisch, kraftvoll und gelegentlich auch überraschend. „Uns ist bei jeder Produktion wichtig, dass wir uns nicht zu stark auf die vorherigen Platten im Sinne einer Wiederholung beziehen. Klar, wir haben unseren Stil und erfinden das Pascow-Rad nicht jedes Mal neu, versuchen aber dennoch, uns bei der Arbeit an neuen Stücken jeweils von den früheren Alben zu lösen“, sagen sie mit Blick auf den Vorgänger Jade (2019) und werden diesem Anspruch gerecht. Satte vier Wochen waren sie für Sieben mit Kurt Ebelhäuser und Michel Wern im Studio, die entstandenen Songs sind alle gut, manche ein bisschen näher an „okay/solide“, viele näher an „beeindruckend/sehr gut“.
Die erste Single Himmelhunde eröffnet das Album mit einem klasse Bass, einer komplexen Gitarre und den ersten Versen „Ich werd mit dem gehen, den ich liebe“. Das Lied scheint tatsächlich so etwas wie emotionale Zufriedenheit zu artikulieren, schließlich lauten später ein paar Zeile „Denn ich, ich weiß jetzt wohin / zum ersten Mal.“ Trotz dieser Ahnung von Glück hat der Song viel Feuer, gegen Ende wird er sogar enorm heavy.
Auch im weiteren Verlauf beweisen Pascow, dass sie kein bisschen von ihrem Punch verloren haben. Monde (mit Sängerin Hanna Landwehr aus Trier als Gast) blickt mit Ungeduld und Wut im Bauch auf Gentrifizierung und die Franchise-Epidemie in den Innenstädten („Wo gestern Nacht ein Junkie stand / ist jetzt ’ne Juicy Bar“). Von unten nichts Neues wird angetrieben von Wut und Frust, aber ebenso vom Glauben an Zusammenhalt und Gemeinschaft, und wird mit jeder Sekunde energischer. Daniel & Hermes würde nicht nur wegen seines auf Englisch gesungenen Refrains toll zu Bad Religion passen. Grüßt Eve (mit Nadine Nevermore von NTÄ, die auch bei zwei weiteren Songs mitsingt) könnte man sich mit seinem enormen Tempo, dem Beinahe-Sprechgesang und seiner Riff-Freude auch von Kraftklub vorstellen. Der Song erzählt aus einer Apokalypse, die schlimmer ist als die bei Wall-E und Eve: „Alles ist am Arsch / und wird es bleiben / das hier räumt keiner je mehr auf / und langsam wird es kalt.“
Endzeitstimmung ist ohnehin ein beliebtes Motiv auf Sieben. So zählt Gottes Werk und Teufels Beitrag beispielsweise Herzlosigkeit gegen Obdachlose, den Aufschwung der neuen Rechten, die Klimakrise, Missbrauch in der Kirche und Krieg mit Drohnen als Beispiele für unser Versagen als Spezies auf, und erinnert bei jedem dieser Probleme daran: „Und der Teufel schickt uns einen Kuss / wir haben von alledem gewusst.“ Mailand (mit ebenso überraschenden wie kraftvollen Streichern) bezieht sich vielleicht auf die G7-Proteste und die Möglichkeit, dass sie tatsächlich etwas erreichen – lässt aber offen, ob die Anarchie wirklich erstrebenswert ist, die danach für die Welt folgen könnte.
Auch jenseits davon legen Pascow gerne die Finger in die Wunden unserer Zeit. Die Unsichtbaren, das anfangs Reggae andeutet, fordert unbedingte Menschlichkeit und Solidarität mit den Schwachen ein, Tom Blankenship hat wieder einen sehr originellen Bass, der den Song trägt, und feiert die Verweigerung. Ich bin klar blickt auf die Jugend und ihren Anspruch darauf, ihr eigenes Leben zu leben und ihre eigenen Fehler zu machen. Das packende Königreiche im Winter (mit Apokalypse Vega von Acht Eimer Hühnerherzen) scheint eine Erinnerung an die eigenen Teenager-Tage in Form einer Bonnie und Clyde-Geschichte zu sein und macht klar: Dieses Früher war schon nicht so schön, wie es in der Erinnerung vielleicht erscheinen mag, und das Morgen wird wohl noch bedrohlicher.
Dass die Band längst eine Möglichkeit gefunden hat, mit all dem umzugehen, unterstreicht Vierzehn Colakracher, erneut mit Unterstützung von Hanna Landwehr. Pascow lassen hier erkennen, dass sie natürlich auf der richtigen Seite stehen mit ihren Überzeugungen und ihrem Lifestyle, auf den sie stolz sind. Und dass für sie natürlich nichts anderes infrage kommt: „Zwischen Altglas und Verlierern / halten wir es gut aus.“
Ein weiterer Pluspunkt jenseits der Musik: Das Quartett hat bei der Produktion von Sieben enorm auf Nachhaltigkeit geachtet. „Wir wollen den Herstellungsprozess so überschaubar wie möglich halten und die Ressourcen schonend nutzen“, sagen sie. Deshalb gibt es das Album nicht in zig LP-Editionen mit unterschiedlichen Farben und Extras, sondern nur in einer Version auf schwarzem 140g-Vinyl. Die CD-Ausgabe ist plastikfrei, die Hülle ist aus biologisch abbaubarem Material. Der Vertrieb erfolgt ausschließlich über den Indie-Pool. Vorbildlich.