Künstler | Pins | |
Album | Girls Like Us | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Ein wunderbarer Titel für den ersten Song auf einem Debütalbum ist das: It’s On eröffnet Girls Like Us von PINS, und zeigt auch gleich das wichtigste Charakteristikum des Quartetts aus Manchester: Gitarre, Stimme, Schlagzeug und Bass erklingen, alles wirkt unendlich einsam und doch so, als würden die einzelnen Bestandteile aus dem Miteinander eine spezielle Kraft beziehen können. „Es ist ein wirklich starker Song und wir wollten am Anfang des Albums die Botschaft an die Hörer senden, dass wir nicht vor einem Kampf zurückschrecken, wenn sie sich mit uns anlegen wollen“, sagt Sängerin Faith Vern.
Diese Gang-Mentalität ist eine der größten Stärken bei PINS, die natürlich nicht erst mit dieser Platte für Aufsehen sorgten, sondern auch mit ihrer 2012 erschienenen EP und den ersten Konzerten. Die Sunday Times war früh begeistert und erkannte: „Adam Ant drums, Siouxsie declamation, Banshees guitar – this is sublime.” Die Vergleiche verweisen nicht nur auf eine vergangene Ära mit der ersten Generation des britischen Post-Punk, sondern vor allem auf einen Hang zum Düsteren, den PINS hier vortrefflich ausleben.
Mad For You könnte man sich perfekt auch vom Black Rebel Motorcycle Club vorstellen. In Stay True spricht aus jedem Ton Verzweiflung, die ein Ventil sucht. Velvet Morning setzt auf Spoken Word und Musik, die rückwärts zu laufen scheint. The Darkest Day beschließt Girls Like Us mit den Zeilen „I know I’m full of regret / but I don’t feel it yet“ und einem Sound, der ebenso zu Joy Division gepasst hätte wie zu den Doors.
Ein sehr passender Bezugspunkt sind die Dum Dum Girls, wie etwa der Titelsong zeigt: Girls Like Us beginnt mit einem angedeuteten Glamrock-Riff, was sich dann offenbart, ist aber nicht Angeberei, sondern eine sehr weibliche Ausprägung von Frust und Wut. Wenn es bei PINS einmal etwas mehr Tempo und Feuer gibt, klingen The Ramones an wie in Waiting For The End, wenn sie die Regler, auf denen „Sex“ und „Coolness“ steht, noch ein wenig nach oben schieben, kommt etwas dabei heraus wie Get With Me. „You watch me affectionately / I watch you, too“, singt Faith Vern – das ist ein Versprechen, in dem natürlich auch eine Gefahr, ein Abgrund lauert.
Eine besondere Stärke des Albums, das PINS innerhalb einer Woche live in Liverpool aufgenommen und selbst produziert haben, sind die Passagen, in denen sie ihr Talent bloß andeuten. Das instrumentale Play With Fire ist so eine Skizze, die etwas Twang und Rockabilly integriert, bei zwei weiteren Songs gibt es am Ende eine Reprise, in der genug Ideen für ein eigenes Lied gesteckt hätten. Die Band bringt diese aber nicht zur Entfaltung, sondern bricht sie ab. Das hat nicht nur einen beträchtlichen Schock-Effekt wie bei einem zu früh verstorbenen Kind, das ein Versprechen bleibt, das sich nicht erfüllt, ein Potenzial, das sich nicht entfaltet hat. Es enthält auch die Message: Wir machen, was wir wollen.
I Want It All ist das Stück, das diese Botschaft am klarsten rüberbringt, es artikuliert die Unerbittlichkeit, die zum Vesprechen von „I am his, endlessly“ und zum Absolutismus von „I want it all or nothing at all“ passt. In eine ähnliche Richtung geht Lost Lost Lost: „I feel alright, I feel so young / there’s nothing else I want to become“, feiert Faith Vern zu Beginn die Brutalität, Gier und Rücksichtslosigkeit der Jugend, die allerdings auch aus dem Gefühl entsteht, das hier wenig später artikuliert wird: „I think I’m lost.“
Dieser Mix aus Sensibilität und Aggressivität macht den Appeal von PINS aus, das Aufeinandertreffen von Ungestüm, Rotzigkeit und einem Hauch von Unsicherheit ist extrem wirkungsvoll. „Es geht auf Girls Like Us nicht um uns. Es geht darum, du selbst zu sein“, sagt Frontfrau Faith Vern. Das zeigt sich etwa in Howlin, dessen beträchtliche Härte letztlich durch das Ausmaß an Verletztheit entsteht, das hier besungen wird. Sehr deutlich wird es auch in To You, dem vielleicht besten Lied auf Girls Like Us: Wie ein trotziges Kind singt Faith Vern darin immer wieder: „My heart aches.“ Der Grund für diesen Schmerz wird nicht ausgesprochen, wird aber trotzdem klar: Einfach alles ist so unfassbar weit vom eigenen Ideal der Welt entfernt, obwohl man sich redlich um Glück bemüht hat.