Film | Praxis Dr. Hasenbein | |
Produktionsland | Deutschland | |
Jahr | 1997 | |
Spielzeit | 95 Minuten | |
Regie | Helge Schneider | |
Hauptdarsteller | Helge Schneider, Peter Thoms, Andreas Kunze, Peter Berling | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Dr. Angelika Hasenbein ist der Arzt in Karges Loch, einem kleinen Ort irgendwo in der deutschen Provinz. Er behandelt die Wehwechen seiner Kundschaft mit seltsamen Salben und Bestrahlungen, gerne greift er auch selbst wahllos und großzügig in den Pillenschrank. Ansonsten kümmert er sich um seinen Sohn Peterchen, fährt gerne Moped und spielt in einer Jazzband. Als er gefragt wird, ob er im Waisenhaus zum Geburtstag von Tante Uschi ein kleines Stück am Klavier spielen will, sagt er ab, denn die Kinder in ihrer Obhut ärgern regelmäßig Peterchen. Als sie sich entschuldigen, ist das Problem aber aus der Welt geräumt und Dr. Hasenbein sagt für die kleine Geburtstagsüberraschung zu. Es gibt aber längst ein neues Problem mit den Jungs aus dem Waisenhaus: Der Arzt hat versehentlich ihren Hamster getötet, und nun wollen sie Rache.
Das sagt shitesite:
„Sie sahen einen Film zum Nachdenken (nachdenklicher Film)“, heißt der erste Satz im Abspann von Praxis Dr. Hasenbein. In der Tat nimmt sich Helge Schneider in seinem dritten Ausflug ins Kino einiger der großen Probleme unserer Zeit an: Medikamentenmissbrauch, Sorgen von Alleinerziehenden, Willkür in Bewerbungsgesprächen, Vereinsamung der älteren Generation, nicht zuletzt Trott und Routine des Arbeitslebens, mit dem abendlichen Fernsehprogramm als einziger Fluchtmöglichkeit. Die Straßenkreuzung Faulhohler Bruch/Baby-Dodds-Allee wird inszeniert als Mikrokosmos unserer Gesellschaft.
Natürlich ist das Quatsch. Was der Komiker hier abliefert, ist erneut absurd und anarchisch, mit viel Improvisation und reichlich Lust auf Skurrilitäten inszeniert, die sich bis in die Ausstattung hinein zeigt. Männer spielen Frauen, die Titelfigur sieht ganz anders aus als ihr Namensvetter aus 00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter, ein damals 63-jähriger Schauspieler ist für die Rolle eines Kleinkinds besetzt, eine Figur, die laut Drehbuch und Schild an ihrer eigenen Arztpraxis „Angelika“ heißt, wird im Film durchweg nur „Helge“ genannt. Es gibt bewusst schlechte Special Effects, dilettantische Schnitte, es gibt auch einen Zeitspung von rund 30 Jahren, in denen erstaunlicherweise fast keine der Figuren optisch gealtert ist.
Wer den Humor von Helge Schneider nicht mag, wird damit gar nichts anfangen können und den Film einfach nur abstrus und langweilig finden. Auch für Fans bleibt festzuhalten: Man hätte mehr aus diesen Ideen und Schneiders ästhetischem Ansatz zwischen Stummfilm und Theater, zwischen Experiment und Verweigerung herausholen können. Auch der Künstler selbst, der sich 1997 zum Kinostart von Praxis Dr. Hasenbein noch „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis und insbesondere der Symbiose aus Bild und Musik (rund um Fitze Fitze Fatze als Titelmelodie) zeigte, ist im 2004 entstandenen Audiokommentar zur DVD-Fassung rückblickend wenig glücklich mit dem Werk. Die Geschichte sei dürftig wie „ein Pups im Weltall“, Helge Schneiders Grundsatzkritik richtet sich auch gegen ein zu geringes Budget, das viel zu künstliche Setting und immer wieder gegen die zu stilisierte Kameraarbeit. Nach 12 Minuten meint er „Ich schlafe schon ein, mein Gott ist das langweilig!“, nach 26 Minuten bricht er den Audiokommentar schließlich frustriert ab, nicht ohne vorher anzumerken: „Ich kann Filme machen, aber es macht keinen Spaß, sie nachher zu schauen.“
Man kann das nachvollziehen: Die Dialoge sind improvisierter Nonsens oder Plattitüden, ein Plot letztlich nicht vorhanden, es gibt in dieser Komödie auch keine Gags oder Pointen. Die Reaktion des Kinopublikums, die es in einer Szene nach der Weltpremiere des surrealistischen Kunstfilms „Ruck, Ruck – Taubenmensch“ gibt, ist genau die, die auch zu Praxis Dr. Hasenbein passt und in ihrer Bandbreite von Tod durch Lachkrampf über „Ich glaub‘, ich bin zu blöd für so etwas“ und „Und das soll Kunst sein?“ bis hin zu „Das ist ja wohl die letzte Scheiße!“ reicht. Der Humor erwächst hier als Situationskomik (die spontan entstandenen Szenen bezeichnet Helge Schneider in seinem Audiokommentar als „das Rückgrat dieses Films“), bei der er selbst die entscheidende Zutat ist. Er verfügt über das, was die Amerikaner „funny bones“ nennen: Man muss ihn nur anschauen, und es ist lustig – selbst, wenn er gar nichts Lustiges macht. Insofern ist er hier zwar Regisseur und Drehbuchautor, aber nicht wirklich Schauspieler, weil das dem Film seinen Kern nehmen würde: Dr. Angelika Hasenbein bleibt in jedem Moment Helge Schneider. Das passt zu einer zweiten Wirkungsebene des Films: Viele dieser Szenen wären kein bisschen lustig, wenn man sie selbst miterleben würde. Sie werden nur witzig, weil sie auf der Kinoleinwand passieren, unsere Erwartungen an die Illusion des Mediums brechen, den Pakt mit dem Publikum aufkündigen, dass hier etwas halbwegs Amüsantes, Spektakuläres oder zumindest Plausibles inszeniert wird. Das ist nicht nur mindestens erfrischend unkonventionell in einem Jahr, in dem Werke wie Men In Blackoder James Bond – Der Morgen stirbt nie große Erfolge in Deutschland feierten. Sondern dann wirklich auch ein wenig zum Nachdenken geeignet.
Bestes Zitat:
„Oh, ich war einen Moment lang eingeschlafen.“