Promising Young Woman Review Kritik

Promising Young Woman

Film Promising Young Woman

Promising Young Woman Review Kritik
Cassie (Carey Mulligan) ist auf einem Rachefeldzug.
Produktionsland USA, UK
Jahr 2020
Spielzeit 114 Minuten
Regie Emerald Fennell
Hauptdarsteller*innen Carey Mulligan, Bo Burnham, Clancy Brown, Jennifer Coolidge, Laverne Cox, Chris Lowell
Bewertung

Worum geht’s?

Cassie hat einst Medizin studiert, jetzt jobbt sie in einem Coffee Shop, hat kaum soziale Kontakte und keinerlei Ambitionen. Ihre Eltern wundern sich, warum die 30-jährige, einst so engagierte und interessierte Tochter ihr Leben freiwillig vergeudet und, vor allem, wieso sie sich nicht endlich einen Mann sucht. Dabei sucht Cassie durchaus Männer, und zwar jedes Wochenende. Sie findet sie auch – und dann erteilt sie ihnen eine ziemlich eindringliche Lektion. Denn Cassie stellt sich in Bars und Clubs zu später Stunde gerne sturzbetrunken und lässt sich dann von Männern abschleppen, die ihren Zustand ausnutzen wollen. Wenn die dann zudringlich werden, gibt sie schlagartig zu erkennen, dass sie stocknüchtern ist, und redet den Männern ins Gewissen. Diese Schocktherapie in Sachen sexueller Belästigung hat einen tragischen Hintergrund: Sieben Jahre vorher ist ihre beste Freundin Nina nach einer Uni-Party zum Opfer einer Massenvergewaltigung geworden, und niemand wurde damals dafür zur Rechenschaft gezogen. Cassie brach daraufhin ihr Studium ab, um sich um ihre traumatisierte Freundin zu kümmern. Doch Nina lebt mittlerweile nicht mehr, und Cassie hat deshalb erstens ein schlechtes Gewissen und zweitens mächtig Wut im Bauch auf Männer, die mit so etwas durchkommen. Als sie im Coffe Shop ihren ehemaligen Studienkollegen Ryan kennenlernt und ein paar Dates mit ihm hat, erfährt sie, dass einer der damaligen Täter bald heiraten will. Sie schmiedet einen Racheplan und nutzt die Beziehung mit Ryan, um in Kontakt mit ihm zu treten.

Das sagt shitesite:

Lieder von Paris Hilton und Britney Spears spielen eine prominente Rolle in Promising Young Woman. Die beiden Pop-Stars mögen als Persönlichkeiten nicht allzu deep oder komplex sein, aber sie haben beide eine interessante Geschichte zu erzählen – und zwar jeweils eine Geschichte, in der sie von Männern ausgenutzt wurden. Bei der einen wurde ein privates Sexvideo von ihrem Lover als One Night In Paris veröffentlicht, die andere wurde entmündigt und konnte lange nicht selbst über ihr Vermögen verfügen.

Dieses Erlebnis eines Missbrauchs, das nicht nur auf ein persönliches Schicksal, sondern auf strukturelle Missstände verweist, teilen sie mit Cassie, der Hauptfigur dieses Films. Man könnte hinzufügen: Sie teilen auch eine Vorliebe für grelle, bunte Outfits. Und sie teilen die Eigenschaft, als etwas eindimensionale Charaktere rüberzukommen. Emerald Fennell hat bei ihrem für fünf Oscars nominierten Regiedebüt eine Heldin gezeichnet, die tatsächlich fast nur aus Rachegefühlen besteht. Doch diese Ausschließlichkeit lässt sie nicht nur fokussiert und kompromisslos erscheinen, wenn sie sich allen Erwartungen verweigert und ihre gesamte Identität einer Sache unterordnet, bei der sie von übergriffigen Männern zumindest Einsicht und Reue erwartet. Sie passt auch dazu, wie die Hauptfigur insgesamt wahrgenommen wird: Kaum jemand interessiert sich für sie als Person. Das gilt nicht nur für die Männer, denen sie in Clubs begegnet, die sie für ein Opfer halten und dabei selbst in ihre Falle gehen, die sich herablassend und manipulativ benehmen und alle Nein-Signale ignorieren, wenn sie Cassie erst einmal in die Nähe ihres Betts gebracht haben. Es gilt auch darüber hinaus.

Insbesondere der Schluss von Promising Young Woman unterstreicht drastisch die Aussage, die der Film in seinen Mittelpunkt stellt: Es gibt Männer, und zwar sehr viele, für die Frauen letztlich keinen Wert haben, keine Würde, nichts, was ihnen Respekt abnötigen würde. Manche Kritiker*innen haben das Werk deshalb einen #MeToo-Thriller genannt, und in der Tat werden hier viele patriarchale Mechanismen deutlich, von Victim Blaming über Alltagssexismus und alles vertuschende Männerbünde bis zur gängigen Verharmlosung von „Wir waren halt jung und wir waren betrunken.“ Unzweifelhaft wird hier auch eine sehr radikale Empowerment-Geschichte erzählt. Nicht nur die sehr kluge Integration der eingangs erwähnten Popsongs zeigt aber, dass der Film noch viel mehr ist. Er bietet erstaunliche Pointen, beträchtlichen Humor und eine einzigartig schrille Optik. Er ist, wie Hauptdarstellerin Carey Mulligan es genannt hat, wie „ein wunderschön verpacktes Bonbon, und wenn man es isst, merkt man, dass es giftig ist“.

Bestes Zitat:

„Wer von uns gibt schon gerne zu, sich verletztlich gemacht zu haben.“

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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