Künstler | Diverse | |
Album | Punk Goes Acoustic Vol. 3 | |
Label | Fearless | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Die MTV-Unplugged-Reihe hat diese Idee am populärsten gemacht: Künstler interpretieren ihre eigenen Songs neu, und zwar rein akustisch, ohne elektrische Verstärkung und in einem intimen Setting. Legendäre Performances wie die von Nirvana sind daraus hervorgegangen, ebenso wie Grammy-nominierte Alben und millionenfach verkaufte Platten. Das Konzept hat allerdings auch seine Tücken: Denn nicht alle Acts haben sich streng an die Idee von „ohne elektrische Verstärkung“ gehalten. Gleich bei der ersten Ausgabe der Show im November 1989 kamen Glenn Tilbrook und Chris Difford von Squeeze ins Studio und hatten ausschließlich E-Gitarren eingepackt. Nachdem ihnen jemand noch einmal die Bedeutung von „Unplugged“ erklärt hatte, ließen sie dann akustische Gitarren herbeischaffen und eröffneten die Reihe, in der später etwa Paul McCartney, Bob Dylan und Oasis oder für die deutsche Variante Die Toten Hosen und Westernhagen auftraten.
Ganz ähnlich funktioniert Punk Goes Acoustic. Die „Punk Goes…“-Serie aus dem Hause Fearless Records hat selbst bereits eine lange und durchaus ruhmreiche Geschichte. Die erste Auflage erschien 2000, die insgesamt 19 Veröffentlichung in der Reihe mit verschiedenen Ausprägungen wie Punk Goes Pop, Punk Goes Classic Rock, Punk Goes 80s, Punk Goes Metal, Punk Goes 90s, Punk Goes Crunk oder Punk Goes Christmas haben es auf 2,5 Millionen verkaufter Exemplare gebracht. Anders als bei den meisten dieser Veröffentlichungen gab es auf der ersten Punk Goes Acoustic-Compilation (2003) keine Coverversionen, sondern Bands, die ihr eigenes Material neu interpretieren. Auch beim Nacholger im Jahr 2007 war das so, ebenso beim morgen erscheinenden Punk Goes Acoustic Vol. 3.
Das Problem, das sich in den Anfangstagen von Unplugged zeigte, wird freilich auch hier sichtbar: Komplett auf Verstärkung wollten einige der vertretenen Acts offensichtlich doch nicht verzichten. Was man bei Circa Survive in der wehmütigen Version von Act Appalled hören kann, ist eindeutig eine E-Gitarre. Don Broco nutzt in Come Out To L.A. nicht nur Strom, sondern sogar elektronische Instrumente, das Ergebnis wird trotzdem stimmig und stimmungsvoll. Auch A Boy Brushed Red Living In Black And White von Underoath bleibt nach der ersten Strophe kein bisschen akustisch, es wird auch nicht sonderlich feinfühlig, sondern klingt eher, als habe man Limp Bizkit gezwungen, eine Ballade zu schreiben.
Es gibt ein paar weitere Momente auf Punk Goes Acoustic Vol. 3, in denen das Konzept die beteiligten Bands nicht zu inspirierten Arrangements oder neuen Perspektiven führt, sondern sich eher als Einschränkung erweist. Der Auftakt des Samplers gehört dazu. Dance Gavin Dance verbreiten in Story Of My Bros zwar weiterhin eine halbwegs reizvolle Ungeduld. Trotzdem bleibt der Gedanke, um wie viel kraftvoller dieses Lied eben mit Verstärkung ist. Die meisten der Beteiligten schaffen es allerdings, ihren eigenen Songs ein überzeugendes neues Klanggewand zu verpassen, insbesondere Gesang und Text treten dabei natürlich deutlich mehr in den Vordergrund als bei den Originalen.
Taking Back Sunday bringen in A Decade Unter The Influence sehr gekonnt und sensibel ein großes Unbehagen zum Ausdruck, sogar Verletzlichkeit. Das sehr schöne Okay von As It Is lässt glauben, sie hätten nie etwas anderes gemacht als zärtliche Liebeslieder. Set It Off klingen auf Wolf In Sheep’s Clothing wie Eagly-Eye Cherry im Emo-Modus, Grayscale setzen Atlantic ziemlich plakativ mit Klavier und Streichern um, was die Frage aufwirft, ob Keane vielleicht eine heimliche Punk-Vergangenheit hatten.
Take This To Heart von Mayday Parade könnte in der akustischen Version ein Song von Ryan Adams sein – nicht nur, weil die ersten Worte „Oh, to be young“ heißen. Dieselbe Zeile eröffnet auch Hand Grenade von The Almost, was ganz am Ende von Punk Goes Acoustic Vol. 3 der intensivste Moment dieser Compilation wird. Auch Screaming Infidelities, für das sich Dashboard Confessional zusätzlich mit Gastsängerin Abigail verstärkt haben, klingt erfreulicherweise nicht etwa wie ein Kracher, der dann künstlich verlangsamt, verharmlost und reduziert wurde, sondern wirklich, als sei es in dieser Version erdacht worden, in einem Moment voller Kummer und Verzweiflung auf einer sehr einsamen Bettkante. Dieser Gedanke passt auch zu Movements‘ Colorblind, in dem noch einmal die wichtigste Erkenntnis dieser Reihe in Erinnerung gebracht wird: Auch Punks haben Selbstzweifel, natürlich.
Eines der Highlights: Screaming Infidelities von Dashboard Confessional.
Die (im Original MySpace-Design gehaltene) Website zur Reihe.