Künstler | Ralph Pelleymounter | |
Album | Dead Debutante’s Ball | |
Label | Radicalis | |
Erscheinungsjahr | 2019 | |
Bewertung |
Man bekommt bei ihm, was drauf steht. Mit seiner 2009 gegründeten Band To Kill A King hat Ralph Pelleymounter mal eine Platte veröffentlicht, die Word Of Mouth hieß – und in der Tat gab es dann Preise für diejenigen Fans, die am kreativsten Mundpropaganda für diese EP gemacht haben. Sein übermorgen erscheinendes erstes Soloalbum nennt er Dead Debutante’s Ball, „weil es ein guter Titel für jemanden ist, der so spät in seiner Karriere ein Soloalbum veröffentlicht“. Ein Lied, das A Sad Sad Song heißt, erweist sich hier als nicht einmal 90 Sekunden währender Trauerkloß, ein Stück namens Get Drunk. Get High wird feuchtfröhlicher, von Bläsern getriebener Rock, exzentrisch und kraftvoll, wie man das etwa von Father John Misty kennt.
So leicht zu durchschauen, wie man jetzt meinen könnte, ist die Musik des Briten aber keineswegs. Im Gegenteil: Die 14 Lieder auf Dead Debutante’s Ball, innerhalb von zehn Tagen mit Produzent Gethin Pearson (Kele Okereke, JAWS, Orla Gartland) aufgenommen, offenbaren eine riesige Vielfalt. Vielleicht hängt das mit den sehr diversen Einflüssen zusammen, die Ralph Pelleymounter seit jeher begleiten. „Ich glaube, als Kind war ich nicht so sehr daran interessiert, in dieser Welt zu leben. Es schien alles sehr langweilig“, sagt er. Viel aufregender waren da die Bücher von Tolkien, Pratchett, Arthur C Clarke oder P G Wodehouse, in die er sich vertiefte. „Ich liebte Komödien und Filme. Meine Eltern schienen sich nicht darum zu kümmern, was altersgerecht war, also sprang ich zwischen alten britischen Sitcoms und Action-Horrorfilmen hin und her. Ich sah mir The Young Ones gefolgt von Alien an, dann The Terminator gefolgt von einer Episode von Bottom. Musikalisch waren es Dylan und Jeff Buckley, Bowie und Simon & Garfunkel.“
Wie dieses Zapping zwischen sehr vielen, sehr erlesenen Quellen wirkt nun auch Dead Debutante’s Ball. Eröffnet wird die Platte von The Overcorrection. Das Lied, das auch zu George Ezra passen würde, handelt vom Entschluss, sein Leben zu ändern, der dem Sänger aber eingeredet wurde statt von Herzen zu kommen. In My Drunken Love erklingen zunächst nur Gitarre und Gesang, dann scheint eine Kapelle vom Balkan herbeigeprescht zu kommen, was eine einleuchtende Idee ist, wenn man über die vielen Momente im Leben singt, in denen die Liebe und der Rausch verschmelzen.
Geige und Banjo hissen in The History Of Line Dancing das Banner, auf dem„Folk“ steht, und unter dem sich dann auch eine Frauenstimme im Hintergrund einreiht. La De Da zeigt, was herauskommen könnte, wenn Miles Kane sich nicht für Glamour interessieren würde. Oh My My erweist sich als Country mit etlichen Kraftausdrücken, aus Now That The Kids Have Gone (Pound For Pound) sprechen viel Reue, etwas Erschöpfung und noch weniger Hoffnung.
The Lobster ist ähnlich arrangiert, fängt sehr reduziert an, zeigt dann aber mit dem Refrain ein überraschendes Pathos, das schon erahnen lässt, wie groß der Sound hier noch wird, mit einer Frauenstimme und einem Schlagzeugwirbel, der The Lobster’s Waltz einleitet, in den dann auch Streicher und Bläser einstimmen dürfen. Dass es auf Dead Debutante’s Ball damit gleich zwei Lieder gibt, in denen es um Hummer geht, darf man spinnert finden, es zeigt aber auch die neuen Freiheiten, die Ralph Pelleymounter sich als Solokünstler genommen hat. „Es gibt Entscheidungen, die ich auf diesem Album getroffen habe, von denen ich bezweifle, dass sie es nach den Hydra-Debatten von To Kill A King auf die Platte geschafft hätten“, sagt er. „Es ist ziemlich beängstigend, allein zu sein und nicht über die üblichen Kontrollmechanismen zu verfügen. Es war seltsam, den Rest der Band nicht im Raum zu haben, aber das hier ist mein viertes Album als Musiker und ich habe das Gefühl, dass ich mehr denn je weiß, was ich will.“
Zu den Höhepunkten gehört die Single Wild Beast, die von der Unzulänglichkeit unserer Wahrnehmung und der notorischen Ungenauigkeit unseres moralischen Kompass‘ erzählt. „Nothing’s true in this song / although it is / exactly how my world is“, singt Ralph Pelleymounter darin zu einem bedrohlichen Orchestersound und brutalem Schlagzeug, das dem Lied einen rasanten und rohen Charakter verleiht. „Der Song versucht, das Etwas zu erklären, das von außen unerklärlich erscheinen kann“, lässt uns der Künstler wissen.
Aus Your Pet Scan (Brain On Drugs) spricht ein schöner und zumindest in einigen Passagen erstaunlich heiterer Fatalismus, der auch von Ryan Adams kommen könnte. „Aus verschiedenen Gründen habe ich im vergangenen Jahr viel Zeit im Krankenhaus verbracht. Ich dachte daran, dass Ärzte in der Lage sind, das ganze Leben der Menschen durch ihre Krankenakten zu lesen, also dachte ich in diesem Lied, dass es interessant wäre, die Geschichte von jemandem durch ihren PET-Scan zu erzählen“, beschreibt Ralph Pelleymounter den Ansatz für diesen Track, mit dem er letztlich die Frage aufwirft, ob wir uns mit dem Leben verändern, das uns umgibt, oder ob es vielleicht eher umgekehrt ist.
Auch Blackness. A Void könnte aus der Zeit eines Klinikaufenthalts stammen, nicht nur wegen des existenzialistischen Titels. „In dem Lied geht es darum, sich immer machtloser zu fühlen, frustriert von mangelndem Fortschritt und einem scharfen Bewusstsein für unsere schwindenden Tage. Hoffentlich hat es jedoch eine Art kathartische Freisetzung, die die Menschen einlädt, in diese endlose Leere zu schreien und das zu tun, was man liebt, mit denen, die einem Freude bereiten“, verrät Ralph Pelleymounter. Die musikalische Umsetzung dieser Idee entwickelt sich von einer romantischen Klavierballade zu einem ausgelassenem Boogie.
„Ich hatte die Idee, dieses Album voller kurzer, energiegeladener Melodien zu machen“, erklärt der Songwriter, und findet dann noch ein sehr treffendes Bild für die Wirkung von Dead Debutante’s Ball. „Es ist als ob man durch eine Reihe von Räumen geführt würde, nie ganz sicher, was um die Ecke ist, aber schnell fließend, immer weiter und weiter. Ein Wes Anderson-Film trifft auf eines meiner Teenager-Mixtapes. Ich denke, das Album ist verspielt, aber ich bin mir auch bewusst, dass ich einen dunkleren Sinn für Humor habe als die meisten anderen. Es geht um soziale Ängste und Panikattacken, Liebe und Hummer, wie man mit Brüchen umgeht, Gefühle der Machtlosigkeit und einen kurzen Vortrag über die Geschichte des Line Dance. Es ist voll von Dingen, die ich für würdig hielt, darüber zu schreiben.“