Künstler*in | Rathmann | |
EP | Rathmann | |
Label | Counterpart Music | |
Erscheinungsjahr | 2023 | |
Bewertung |
Der Weinkonsum in Deutschland geht zurück. Nach der letzten Bilanz des Deutschen Weininstituts wurden pro Kopf und Jahr hierzulande 19,9 Liter getrunken – 0,8 Liter (also mehr als eine Flasche) weniger als im Jahr zuvor. Hört man die Debüt-EP von Rathmann aus Marburg, muss man festhalten: An diesen vier Musiker*innen kann es nicht liegen. In den ersten vier der sechs Lieder kommt der Rebensaft im Text vor, im fünften ist immerhin noch von „Saufen“ die Rede. Nach diesen knapp 20 Minuten kann man sich eigentlich nur wundern, dass Mittelhessen im innerdeutschen Ranking des Weinkonsums nicht weit vorne liegt (stattdessen hat Nielsen ermittelt, dass im Süden von Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen und Baden am meisten Wein getrunken wird).
Natürlich kann man da an andere Bands denken, die einem guten Gläschen (Element Of Crime) oder ein paar Fässern (Wanda) nicht abgeneigt sind, auch die eher verfrickelten Momente von Von Wegen Lisbeth und die rhythmische Verspieltheit von Die Höchste Eisenbahn lassen sich bei Sänger Magnus Ernst (er war früher solo und mit englischen Texten unterwegs und hat die Band nach dem Geburtsnamen seiner Mutter benannt), Gitarristin Caro Sommer, Bassist Moritz Weishaupt und Schlagzeuger Arne Wolff erkennen. Aber natürlich hat die im Frühjahr 2021 gegründete Band mehr zu bieten als nur das eine oder andere Hohelied auf die traubeninduzierte Trunkenheit.
Roter Wein (natürlich) eröffnet die EP schmissig und sogar etwas funky, es geht um Maßlosigkeit, nicht nur beim Alkohol, die verkaterten Erinnerungen reichen nicht bloß bis zum Abend des vorangegangenen Rausches zurück, sondern bis zur schmerzhaft vermissten Leichtigkeit des Sommers. Yeezus Christus thematisiert zu einem guten Groove, dass Suff die Fähigkeit zur Feinmotorik ebenso beeinträchtigt wie den Blick auf die Welt, im leichtfüßigen Der Clown wird wieder gleich flaschenweise Wein getrunken, denn „gegen die Nacht hilft nur der Rausch“.
Anna K hat die schönsten Verse dieser EP („Versprechen sind für immer / und Romantik für die Nacht / Träume werden schlimmer / wenn man nichts aus ihnen macht“), zudem entwickeln Rathmann hier am meisten Energie: Der Beat und insbesondere die Gitarre zeigen nach dem zweiten Refrain eine Aggressivität, die an die Arctic Monkeys denken lässt. Auch das abschließende Die Party ist vorbei hat viel Schwung, ein klasse Arrangement und die sehr schlaue Zeile „Viele würden lieben, das zu hassen, was du hast.“
Was die oben genannten Referenzen schon zeigen, wird bei Rathmann allerdings auch offenkundig: Die sechs Lieder klingen nicht unbedingt nach Musik von Twentysomethings, auch nicht wie ein Debüt, sondern abgeklärt, auch ein bisschen desillusioniert. Alter Luxus ist dafür das beste Beispiel mit einem Text, der eher verklausuliert als tiefgründig ist und etwas überambitioniert (inklusive Verweisen auf Thomas Hobbes) irgendwie vom Niedergang erzählt, aber musikalisch keine rechte Entsprechung für diesen rotzigen Rapport findet. Das lässt sich bei so vielen Bezügen zu Chardonnay, Riesling & Co. eben auch nicht leugnen: Während man beim Biertrinken problemlos gut schweigen kann, wird es beim Wein gerne mal unnötig schwatzhaft.