Künstler | Razorlight | |
Album | Olympus Sleeping | |
Label | Atlantic Culture | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Man hat das nicht oft, dass die ersten 13 Sekunden entscheidend sind für die gesamte Wahrnehmung eines Album. Bei Olympus Sleeping, dem ersten Longplayer von Razorlight seit zehn Jahren, ist das so. Neben ein bisschen Rausch ist in diesen Sekunden die Stimme von Adam Green zu hören. Er ist nicht nur ein bunter Hund der Indie-Szene auf beiden Seiten des Atlantiks und eine bekennende Ulknudel, sondern auch ein Kumpel von Razorlight-Frontmann Johnny Borrell. Adam Green schlüpft zum Auftakt dieser Platte in die Rolle einer Märchengestalt und sagt: „Genie, it’s Aladin – print me a Razorlight album that doesn’t totally suck.“
Auf ihrem insgesamt vierten Album haben Razorlight also tatsächlich den Humor entdeckt, sogar die Selbstironie. Das ist durchaus erstaunlich, schließlich galt Borrell in der Blütezeit der Band rund um das Debüt Up All Night (2004) und den selbstbetitelten Nachfolger (2006) nicht nur als brauchbarer Songwriter, sondern vor allem als erlesenes Großmaul mit reichlich Selbstverliebtheit. Affären mit Hollywood-Stars gehörten dazu, fragwürdige Outfits, lächerliche Auftritte auf Motorrädern, nach dem Niedergang der Band rund um Slipway Fires (2008) dann auch vollkommen überambitionierte Soloprojekte in der Nähe von Blues, Jazz und Weltmusik.
Dass dieser Typ, den man mit einigem Recht als wandelndes Möchtegern-Rockstar-Klischee betrachten könnte, neuerdings über sich selbst lachen kann, ist essentiell für das Gelingen dieses Comebacks. Schon der Song, der sich nach der Aladin-Sequenz entfaltet, beweist das: Got To Let The Good Times Back Into Your Life wäre ohne den vorangestellen Witz cheesy, kalkuliert, verkrampft in seinem „Wir sind wieder da und wir haben viel Spaß daran“-Gestus. Weil das Ganze aber bereits durch den Satz von Adam Green unterwandert ist, wird es einfach ein prototypischer, eingänger Rocksong.
City Of Women, das Olympus Sleeping abschließt, hat einen ähnlichen Effekt: Der Song nutzt sehr klassische Zutaten, hat aber auch die nötige Inspiration und Glaubwürdigkeit, um nicht abgeschmackt zu sein. Im anschließenden Hidden Track wird Adam Green dann noch einmal erwähnt, auch das Lied selbst hat ein fettes Countryrock-Augenzwinkern, etwa mit der Zeile „If this song was by The Beatles / they’d give it to Ringo to sing“. Iceman ist noch ein Moment, in dem Borrell freiwillig etwas von seiner vermeintlichen Coolness aufgibt, er singt darin etwa über die sehr unglamourösen Live-Auftritte (“playing weddings and bar mitzvahs“), die er in der weniger erfolgreichen Zeit seiner Karriere absolvierte.
“Ich habe dieses Album mit nichts weiter im Sinn geschrieben als der puren Freude an der Musik“, sagt Borrell. “Dieses Album ist quasi mein Liebesbrief an diese ganz bestimmte Art von Musik, nämlich jene, die so viele Menschen inspiriert hat, Bands zu gründen oder zu folgen.“ Auch dieses Grundprinzip kann man Olympus Sleeping sehr deutlich anhören, manchmal wirkt die Platte wie ein Sampler der Class Of 2005, zu der man Razorlight wohl zählen darf. Brighton Pier würde sehr schön zu den Kooks passen, die Single Carry Yourself könnte auch von den Wombats stammen, Japanrock hat so viel Kraft, Frische und Attitüde, dass nicht viel fehlt, um sich den Song im Repertoire der Libertines vorstellen zu können.
Gleichzeitig gibt es ein hörbares Bestreben nach Zeitlosigkeit. „Ich bin damals nicht auf einer Welle mitgeschwommen, sondern kann wirklich gute Rocksongs schreiben“ – diese (unterstellte) Aussage steckt etwa in Tracks wie Razorchild, das an Elvis Costello erinnert, No Answers, das eine Eighties-Komponente etwa im Stile von Robert Palmer erkennen lässt, oder Midsummer Girl, das mit seinem Offbeat vielleicht The Jam nacheifern soll (auch wenn das misslingt). Auch die neue Besetzung von Razorlight passt dazu: Neben Borrell besteht die Band jetzt aus Gitarrist David Ellis und Schlagzeuger Martin Chambers, ehemals bei den Pretenders im Einsatz. “Ich habe Martin auf einer Party getroffen und dachte: Wir kopieren seit Jahren seinen Style, warum lassen wir ihn nicht einfach selber ran?“, erklärt Borrell diese Personalien.
Good Night, das härteste Stück des neuen Albums, wurde noch mitgeschrieben von Ex-Mitglied David Sullivan Kaplan. Der Titelsong Olympus Sleeping blickt auf den eigenen, nun überwundenen Größenwahn und zeigt, ähnlich wie das sehr solide Sorry?, den vielleicht erstaunlichsten Effekt dieser Platte: Das ist nicht spektakulär, aber überzeugend. Und angesichts der Historie und des Images, das Razorlight haben, sollte man das unbedingt als Erfolg verbuchen.