Künstler | Rue Royale | |
Album | In Parallel | |
Label | Sinnbus | |
Erscheinungsjahr | 2018 | |
Bewertung |
Vier Jahre haben Rue Royale für den Nachfolger von Remedies Ahead gebraucht. Brookln und Ruth Dekker haben ein paar einleuchtende Argumente dafür. Das anglo-amerikanische Paar, das in Nottingham lebt, hat ein Kind bekommen, und die Finanzierung für ihr viertes Album In Parallel über eine Crowdfunding-Kampagne gestemmt. Nicht zuletzt galt es, mit den politischen Entwicklungen klar zu kommen, die sich in ihren jeweiligen Heimatländern abspielten, nämlich Brexit und Trump. „Unser Leben wurde seltsam und schwierig in den letzten Jahren – sowohl persönlich als auch in der Welt um uns herum“, sagen sie.
Liest man zwischen den Zeilen, kann man wohl vermuten: Wäre dies eine normale Band (statt eines Ehepaars), hätte es vielleicht gar kein weiteres Album gegeben. Denn als Eltern hatten Rue Royale offensichtlich einige Schwierigkeiten, das Musikerdasein mit einem halbwegs normalen Alltag und einem halbwegs intakten Sozialleben zu vereinen. „Wir kamen vom Touren nach Hause und stellten fest, dass wir uns von der realen Welt aus Freunden und Familie abgeschottet hatten“, erzählt Ruth Dekker. „Unsere wunderschöne Tochter kam auf die Welt und riss uns nur noch weiter vom Lenkrad weg, während wir versuchten, die Herausforderungen in Einklang zu bringen, unabhängige Künstler zu sein und eine Familie mit neuen Aufgaben zu haben.“
Wie gut sie das gemeistert haben, macht In Parallel schnell deutlich. Thrown By The Wind ist ein sehr verführerischer Auftakt, Eagerly Hunting vereint Emotionalität und Komplexität auf Radiohead-Niveau, The Rain Came And Gave wirkt reduziert und geheimnisvoll, wie eine Beschwörung. Es gibt besinnliche Momente wie Signs Are All Gone, das auf einer verträumten Klavierfigur beruht, oder Chip Away, das noch etwas zerbrechlicher wird als der Rest des Albums. Viel prominenter als bisher sind bei Rue Royale allerdings die Rhythmen geworden, was vor allem an der Mitwirkung von Sean Carey (Bon Iver) liegt. Brookln Dekker weist darauf hin, wie sehr er den Horizont des Duos erweitert hat: „Es war toll, mit Sean zu arbeiten. Obwohl die Stücke an sich schon breiter angelegt waren als unsere vorherigen Songs, hat er uns wirklich geholfen, an diesen neuen Punkt zu kommen. Er steuerte viele kühne rhythmische Ideen bei, dazu ein paar melodische Schätze auf Klavier und Keyboards. Auf ein paar Liedern singt er sogar.“
I Don’t Know What It Is zeigt diesen Effekt am deutlichsten, mit einem interessanten Groove, der am Ende gar große Wucht entfaltet. Doch auch in vielen anderen Passagen von In Parallel ist die neue Liebe zum Beat erkennnbar, die wohl auch bei der anstehenden Tournee (in den rund zehn Jahren ihrer bisherigen Karriere bringen es Rue Royale auf mehr als 1000 Konzert in 16 Ländern) tüchtig ausgelebt werden wird. Facing Forward zeigt das für dieses Album typische Rezept aus Gitarrenpicking und Drumbeat, was sehr spannend wird. Die Elemente in For Which Is Heavy sind toll miteinander verwoben. Die Zutaten von Why Must I Build wären auch für Countryrock zu gebrauchen, aber das Ergebnis ist viel moderner, intelligenter und komplexer, als es dieses Genre je erlauben würde.
„Wir sind uns bewusst, dass es vielleicht etwas länger gedauert hat, um wieder in Gang zu kommen. Länger als wir, und alle anderen, die unsere Band verfolgen, erwartet haben“, gesteht Ruth Dekker. „Wir nehmen jetzt unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen an. Und gleichen die Ungleichgewichte aus. Wir bewegen uns mit Zuversicht und einer Art Weitwinkelblick, der sich aus unseren Parallelwirklichkeiten zusammensetzt und diese Themen und Gefühle erforscht – wie auf In Parallel.“